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Narzissmus als „andere seelische Störung“ im Sinne des §20 StGB

Rund 0,5-2,5% der Gesamtbevölkerung leiden unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Narzisstische Persönlichkeitszüge wiederum finden sich jedoch viel häufiger in der Gesellschaft. Als narzisstische Persönlichkeitsstörung wird eine andauernde und grundlegende Störung des Selbstwertgefühls bezeichnet. Dabei wird oft das eigene Selbst innerlich abgelehnt, während sich der Narzisst nach außen übertrieben selbstbewusst gibt. Der Patient strebt ständig nach Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Inwieweit Narzissmus zu einer verminderten Schuldfähigkeit führen kann, erklärte der Bundesgerichtshof (5 StR 322/23) in seinem Beschluss vom 16. Januar 2024.

Der konkrete Fall

Nach den Feststellungen des Landgerichts Berlin vergewaltigte der Angeklagte die Nebenklägerin unter Drohung und Anwendung von Gewalt in seiner Wohnung. Aus Angst um ihr Leben führte die Nebenklägerin am Angeklagten aufforderungsgemäß einige Sekunden den Oralverkehr durch. Zudem penetrierte der Angeklagte sie mehrmals ungeschützt vaginal bis zur Ejakulation. Als sie in der Nacht versuchte, sich aus seiner Wohnung zu entfernen, griff er sofort nach einem Messer. Erst am Morgen des nächsten Tages konnte die Nebenklägerin die Wohnung zusammen mit dem Angeklagten verlassen.

Das Landgericht Berlin verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten.
Dabei schlossen sie sich der Auffassung der Sachverständigen an, dass beim Angeklagten eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt. Zwar stelle diese eine schwere andere seelische Störung im Sinne des §20 StGB („Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen“) dar, jedoch seien dadurch weder Einsichts- noch Steuerungsfähigkeit eingeschränkt. Somit sei die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung vollständig erhalten.

Revision wurde eingelegt

Revision wurde eingelegt, so dass der Fall beim Bundesgerichtshof landete. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Strafausspruchs durch den BGH; im Übrigen ist sie jedoch unbegründet.
Der Bundesgerichtshof erwidert dem jedoch, dass bei einer schweren anderen seelischen Störung eine Verminderung der Schuldfähigkeit nach §21 StGB nahelegt. In diesem Zuge kritisiert der Bundesgerichtshof, dass es zu einer gegenteiligen Feststellung besondere Begründung benötigt. Eine solche wurde durch das Landgericht jedoch nicht vorgenommen. Das Landgericht hätte eine eigene Prüfung und Bewertung der Ausführungen des Sachverständigen vorgenommen.
Daneben müssen außerdem Erwägungen zur tatbezogenen Ausprägung der vom Sachverständigen festgestellten Persönlichkeitsstörung getroffen werden.

Der BGH betont zudem, dass eine narzisstische Persönlichkeitsstörung auch nur dann als eine andere schwere seelische Störung iSd. §20 StGB gewertet werden kann, wenn sie das Leben in vergleichbarer Weise wie eine andere krankhafte Störung beeinträchtigt. Dafür muss sich die Störung im Alltag durch berufliche oder soziale Einschränkungen zeigen und sich über die Zeit als stabil erwiesen haben. Diese Voraussetzungen wurden im hier vorliegenden Fall jedoch nicht belegt, so dass ein neues Tatgericht sich nun mit der Frage nach einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten beschäftigen muss.

Quellen: openjur.de, rechtsanwalt-urteile entscheidungen.strafrechtskanzlei.berlin.de, flexikon.doccheck,co.

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