Rechtsanwaltskanzlei Nikolai Odebralski
Einheitliche Sanktion von Vergewaltigungen auf EU-Ebene scheitern an Einigung auf Definition
Die Europäische Union möchte Übergriffe gegen Frauen wie weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat und Cyberstalking härter bestrafen.
Bei einer einheitlichen Ahndung von Vergewaltigung stellt sich jedoch das Problem einer einheitlichen Definition auf EU-Ebene und somit die Frage: „Was versteht man unter einer Vergewaltigung? Wo wird die Grenze gezogen, bei der man noch von einem Einvernehmen ausgehen kann?“
Die ursprüngliche Idee
Grundsätzlich liegt dem Vorhaben der EU-Kommission mit einer Vereinheitlichung der Ahndung von Gewalt gegen Frauen ein erstrebenswerter Gedanke zugrunde. Ursprünglich wollte die EU-Kommission passend zum Weltfrauentag am 8. März 2022 ihr Gesetz gegen Gewalt an Frauen vorschlagen. Dieses sollte es unter anderem ermöglichen, dass Täter EU-weit wegen Vergewaltigung belangt werden können.
Bisher war dies nicht möglich.
So konnte bisher ein Vergewaltiger in 18 der 27 Mitgliedsstaaten nur dann verfolgt werden, wenn er gewalttätig war oder gedroht hat. Nach dem geplanten Gesetz sollte diese Anforderung wegfallen.
Der Vorschlag erntete Kritik. So kritisierten die Mitgliedsstaaten - unter anderem Deutschland, dass der Vorschlag über die EU-Kompetenzen hinaus gehe und das Gesetz damit vor Europagerichten abgreifbar sei.
Dennoch konnten sich das Europäische Parlament und der Rat nach langwierigen Verhandlungen einigen. Die geschaffene Richtlinie legt gemeinsame Tatbestände fest, welche die Mitgliedsstaaten nun in ihrem nationalen Strafrecht regeln müssen.
Das betrifft die Tatbestände der weiblichen Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, die Weitergabe intimer Bilder ohne Zustimmung, sowie Cybermobbing und Cyberstalking. Diese stehen nun künftig in der gesamten Europäischen Union unter Strafe. Die Ahndung der Vergewaltigung steht jedoch weiterhin außen vor. Hier konnten sich die Mitgliedsstaaten nicht auf eine einheitliche Definition einigen, so dass dieser Tatbestand an der erforderlichen Mehrheit im Rat scheiterte.
Das Problem der Definition
Die EU-Kommission hatte in der Abstimmung die Definition als „nichteinvernehmlicher Geschlechtsverkehr“ vorgeschlagen. Dem schlossen sich jedoch lediglich 13 der 27 Mitgliedsstaaten an.
Man habe in den Verhandlungen „ziemlich verstörende Einblicke in die Einstellung zu Vergewaltigung in den Mitgliedsstaaten bekommen“, so Frances Fitzgerald, irische Politikerin und Mitglied des Europäischen Parlaments. Dass man bei der Definition der Vergewaltigung keine Einigung finde sei „wirklich eine große Enttäuschung – geraden, wenn man auf die hohen Zahlen von Gewalttaten in Europa schaut“, so Fitzgerald weiter.
„Ja heißt Ja“- Regelung
In Deutschland gilt seit der Reform des Sexualstrafrechts 2016 das Prinzip „Nein heißt Nein“. Eine Vergewaltigung liegt nur dann vor, wenn Frauen die Vornahme sexueller Handlungen deutlich ablehnen. Dazu muss sich die Frau seit der Reform zwar nicht mehr körperlich wehren, muss ihren entgegenstehenden Willen jedoch durch Worte oder Gesten zum Ausdruck bringen. Dies führt in der Praxis oft zu Problemen. Es erweist es sich als schwierig, diese Ablehnung vor Gericht nachweisen zu können. So ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts und damit des „wahren Willens“ in bestimmten Situationen, zum Beispiel wenn Alkohol mit im Spiel ist, fast unmöglich.
Das EU-Parlament fordert deswegen eine einheitliche „Ja heißt Ja“-Regelung für die gesamte EU. Dabei handelt es sich um eine Art Zustimmungsregelung, wonach jeder sexuellen Handlung zunächst zugestimmt werden müsse.
Dem schließen sich auch Frauenrechtlerinnen an. Schweden und Spanien gelten dabei als Vorreiter, die dieses Prinzip bereits in ihr Gesetz aufgenommen haben. Doch mehrere Länder, darunter auch Frankreich und Deutschland äußern Kritik. Für eine solche einheitliche Regelung gebe es keine rechtliche Grundlage im Europarecht.
Somit ist die einheitliche Ahndung von Vergewaltigung zunächst erstmal eines: blockiert.
Wann und ob sich die Mitgliedsstaaten auf eine Definition einigen können, bleibt abzuwarten.
Nationale Telefonhilfe
Die Richtlinie sieht jedoch weiter vor, dass die EU-Staaten künftig nationale Hilfetelefone für Opfer häuslicher Gewalt einrichten.
Bei diesen sollen die Gewaltopfer rund um die Uhr und kostenlos anrufen können. Außerdem sollen Straftaten schnell online gemeldet werden können. Zudem verpflichten sich die Mitgliedsstaaten über Gewalt, insbesondere Vergewaltigung aufzuklären. Das Ziel ist eine Kultur zu erschaffen, in der nur noch einvernehmlicher Geschlechtsverkehr toleriert wird.
Quellen: faz.net, tagesschau.de, zeit.de