Rechtsanwaltskanzlei Nikolai Odebralski
"Update“ zur EU-Richtlinie gegen sexuellen Missbrauch von Kindern
Die EU-Kommission möchte mithilfe einer neuen Richtlinie den sexuellen Missbrauch von Kindern innerhalb der Europäischen Union bekämpfen und Opfer besser schützen.
Innenkommissarin Ylva Johansson stellte einen entsprechenden Vorschlag zur Überarbeitung einer bereits seit 2011 bestehenden Richtlinie vor. Das “Update“ der Richtlinie – so steht es in der Begründung, sei notwendig, „um dem gesellschaftlichen und technologischen Wandel der vergangenen Dekade“ Rechnung zu tragen. Das heißt, im Mittelpunkt stehen unter anderem Livestreams, sowie KI-generierte Darstellungen und sogenannte „Deepfakes“ im Netz. Diese sollen fortan europaweit als Missbrauch eingestuft werden können.
Bisher können die Täter ihre Identität im Netz immer besser verstecken. Sie profitieren dabei unter anderem von Gesetzeslücken. Diese sollen durch die Richtlinie geschlossen werden. Eine solche Gesetzeslücke betrifft vor allem sexuellen Missbrauch von Kindern in Livestreams. Dabei wirken die Täter auf einen Dritten ein, bleiben aber selbst im Hintergrund und schützen so ihre Identität. Sie bezahlen und geben Anweisungen dafür, dass eine andere Person das Kind sexuell missbraucht um sich die Tat dann im Livestream anzugucken.
Achtung: Verwechslungsgefahr
Das geplante Update der älteren Richtlinie von 2011 ist nicht zu verwechseln mit der geplanten Verordnung „zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“.
Wir berichteten bereits über diese Verordnungen im Rahmen der geplanten Chatkontrolle.
Es geht zwar um dasselbe Thema, jedoch unterscheiden sich Verordnungen und Richtlinien. Verordnungen gelten unmittelbar in jedem EU-Mitgliedsstaat. Richtlinien hingegen müssen erst von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Dennoch gibt es eine enge Verbindung: Verordnung und Richtlinie sollen sich gegenseitig „verstärken und zusammenwirken“, so die EU-Kommission im Februar.
Doch was plant die Kommission mit der Richtlinie genau?
Wie oben bereits angesprochen, ist die Richtlinie eine Reaktion auf den stetigen Wandel der Technologie.
Zum einen sollen KI-generierte Darstellungen und sogenannte „Deepfakes“ im Netz ausdrücklich unter den Begriff des sexuellen Missbrauchs fallen. Gemeint sind damit realistische Missbrauchsdarstellungen, die mit hilfe von künstlicher Intelligenz erzeugt wurden. Der Umgang mit diesen Darstellungen ist momentan auch in Deutschland noch unklar. Auch Online-Infrastrukturen, wie Foren oder Tauschbörsen, in denen Täter unter anderem Missbrauchsdarstellungen verbreiten sollen künftig unter den Begriff des sexuellen Missbrauchs fallen. Außerdem soll sich der Begriff künftig auch auf „Handbücher“ erstrecken, mit denen Täter zum Missbrauch angeleitet werden.
Ebenso soll das sogenannte Cybergrooming eingedämmt werden. Cybergrooming liegt vor, wenn ein Erwachsener versucht, mit einem Kind sexuellen Kontakt über das Internet aufzubauen.
Zudem soll gegen die oben aufgeführte Problematik des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Livestreams vorgegangen werden. Eine Studie der International Justice Mission zeigt, dass allein im Jahr 2022 eine halbe Million Kinder auf den Philippinen für solche Missbrauchsdarstellungen ausgebeutet worden sind. Die Darstellungen werden oft von ihren Eltern oder anderen Verwandten angefertigt. Bezahlt werden diese von Auftraggebern aus den westlichen Staaten, unter anderem auch aus Deutschland. Diesen Schluss lassen verdächtige Finanzströme zu.
Auch wenn der Livestream aufgezeichnet wurde, konnten diese „Hinterleute“ in der EU bislang nur wegen Beihilfe und der Anfertigung von kinderpornographischem Material belangt werden. Mithilfe der Richtlinie soll eine Anklage auch wegen Anstiftung zum Missbrauch in Zukunft möglich werden.
Erhöhung von Strafmaß und Verjährungsfristen
Die Richtlinie soll auch die Rechte von Betroffenen besser schützen. Zu diesem Zweck schlägt die Kommission eine Erhöhung des Strafmaßes und längere Verjährungsfristen vor. Zudem soll Betroffenen ein Anspruch auf Schadensersatz zukommen.
Die Anhebung des Strafmaßes bezieht sich auf solche Straftaten, die im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch stehen. So darf das vorgesehene Strafmaß zwar überschritten, jedoch nicht unterschritten werden. Die Mitgliedsstaaten dürfen also auf Wunsch höhere Strafen verhängen, aber keine niedrigeren Strafen.
Auch die Verjährungsfristen sollen EU-weit verändert werden, um den Betroffenen mehr Zeit zu geben, die Fälle anzuzeigen. Grund dafür ist, dass Straftaten oftmals erst im Erwachsenenalter angezeigt werden, weil Betroffene „noch viele Jahrzehnte nach dem Missbrauch nicht in der Lage sind, die Straftat anzuzeigen“, so heißt es im Entwurf. So sollen Taten, die mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden, erst nach 20 Jahren verjähren. Bei Straftaten mit einer Höchststrafe von fünf Jahren erst nach 25 Jahren und bei mindestens acht Jahren und mehr erst nach 30 Jahren. Berechnet werden die Fristen erst ab der Volljährigkeit des Opfers.
Quellen: faz.net, netzpolitik.org