bundesweite Strafverteidigung
Sexualstrafrecht: Tätigkeitsschwerpunkt der Kanzlei
Aussagepsychologie
Aussagepsychologie ist ein spezieller Bereich der Psychologie, der sich mit der Beurteilung von Zeugenaussagen im Hinblick auf deren so genannte Erlebnisbasiertheit beschäftigt.
Aussagepsychologie kommt insbesondere bei der Beurteilung von Zeugenaussagen im Strafprozess zur Anwendung, die Grundsätze der Aussagepsychologie muss ein Gericht kennen und bei der Überprüfung einer belastenden Aussage zu Grunde legen. Das Ergebnis einer Begutachtung nach den Grundsätzen der Aussagepsychologie wird zusammengefasst in einem sogenannten aussagepsychologischen Sachverständigengutachten.
Was untersucht Aussagepsychologie?
Gegenstand einer aussagepsychologischen Begutachtung ist die Aussage eines Zeugen im Hinblick auf einen behaupteten Sachverhalt, meist eine Sexualstraftat.
Bei dem Sachverhalt handelt es sich im Zusammenhang mit Sexualstrafverfahren um die Schilderung eines oder mehrerer sexueller Übergriffe, die die Person behauptet erlebt zu haben. Mit dem Mittel der Aussagepsychologie wird nun untersucht, ob diese Schilderungen einen Grad an Glaubwürdigkeit erreichen, der eine Verurteilung des Beschuldigten ermöglicht.
Wie läuft eine aussagepsychologische Begutachtung praktisch ab?
Rein praktisch ist es so, dass die Ermittlungsbehörden beim vorliegen besonderer Voraussetzungen eine so genannte aussagepsychologische Begutachtung eines Zeugen anordnen können. Die Verteidigung ist zuvor hinsichtlich der Frage der Auswahl des Sachverständigen anzuhören.
Ist ein Aussagepsychologe bestimmt, werden diesem die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Er arbeitet sich dann erst einmal in dem Fall ein und sieht sich die bisherigen Aussagen der vermeintlich Geschädigten Person an. Anschließend lädt der Sachverständige die zu begutachtende Person ein und führt ein eigenes, sogenanntes Explorationsgespräch. In Einzelfällen können mehrere dieser Gespräche notwendig sein, sofern dies für die Begutachtung unter dem Gesichtspunkt der Aussagepsychologie notwendig ist. das Gespräch findet in der Regel in der Praxis des Sachverständigen statt und dauert in der Regel zwischen einem und 3 Stunden. Abhängig vom Alter der zu untersuchenden Person wird häufig oft ein unverbindliches Vorgespräch über allgemeine Themen geführt, wonach es dann zu der Begutachtung im engeren Sinne kommt. Hier fordert der Sachverständige dem Zeugen dann auf, die belastenden Sachverhalte möglichst genau und detailliert zu erzählen und bildet sich auf dieser Grundlage eine Meinung hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben.
anschließend wird ein schriftliches Gutachten abgefasst und der Staatsanwaltschaft übersandt, bis dieses vorliegt, können in Einzelfällen noch einmal mehrere Monate vergehen, abhängig von der Auslastung des zuständigen Sachverständigen bzw. Experten für Aussagepsychologie.
Wie funktioniert Aussagepsychologie?
Die Grundannahme einer so genannten aussagepsychologischen Begutachtung ist die Bildung von so genannten Nullhypothesen.
Die Grundannahme ist hierbei, dass die belastende Aussage, beispielsweise die Schilderung eines sexuellen Übergriffs, viele unterschiedliche Erklärungmöglichkeiten haben kann. Angefangen von einer Entstehung im Rahmen von Suggestion, über bewusste Falschbeschuldigungen, bis hin zu eben der These, dass die belastende Aussage gemacht wird, weil das Geschehen so tatsächlich erlebt wurde (sog. Erlebnishypothese). Alle dieser Erklärungen und Möglichkeiten werden zunächst nebeneinander gestellt und unbefangen als Arbeitshypothesen für die Belastung gebildet.
Anschließend beschäftigt sich der Psychologe im Rahmen der Aussagepsychologie mit den einzelnen Thesen und überprüft diese im Hinblick auf die belastenden Angaben. Was folgt ist ein so genanntes Ausschlussverfahren, in dessen Rahmen die einzelnen Thesen überprüft, psychologisch bewertet und dann nach und nach verworfen werden bis eben letztlich soentweder nur noch die sogenannte Erlebnishypothese als Erklärung für die belastenden Angaben stehen bleibt - oder aber neben der sogenannten Erlebnishypothese weitere nur Hypothesen als mögliche Erklärung für die belastenden Angaben stehen bleiben.
Aussagepsychoologie: was ist "gut", was ist "schlecht" für den Beschuldigten?
Gut für einen Beschuldigten in einem Sexualstrafverfahren ist es, wenn das Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass neben der möglichen Erklärung, dass die belastenden Angaben auf einem tatsächlichen Erleben asieren (sog. Erlebnisahypothese), mindestens eine weitere These als Erklärung nicht sicher ausgeschlossen werden kann.
Dies bedeutet dann (vereinfacht gesprochen), dass die belastenden Angaben zwar stimmen können (Erlebnishypothese), daneben aber auch noch eine andere Erklärungsmöglichkeit in Betracht kommt.
Da man bei einer solchen Situation nun nicht weiß, ob die belastende Erzählung auf einem tatsächlichen Erleben basiert oder die alternative Erklärungsmöglichkeit der Grund für die Aussagen ist, ist der Sachverhalt dahingehend von der Staatsanwaltschaft nicht mit Sicherheit aufzuklären.
Bei einer solchen Ausgangslage wird das Ermittlungsverfahren dann in der Regel mangels Tatverdacht eingestellt. befindet sich das Verfahren bereits in einem gerichtlichen Verfahren und kommt der Sachverständige dort zu diesem Ergebnis, dass neben der Erlebnishypothese eine weitere Hypothese als Erklärung bestehen bleibt, ist die Folge für den Beschuldigten in der Regel ein Freispruch.
Was kann Aussage Psychologie nicht leisten?
Mit dem Mittel der Aussagepsychologie lässt sich nicht sicher feststellen, ob eine Aussage richtig oder falsch ist.
Dieser Maßstab ist im Strafprozess und insbesondere in Sexualstrafverfahren aber auch nicht anzulegen. In Sexualstrafverfahren gilt es, die Frage zu beantworten, ob die Schuld eines Beschuldigten (gegebenenfalls mit dem Mittel der Aussagepsychologie) nachgewiesen werden kann. Ist dies nicht der Fall, weil die Quelle der Aussage nicht sicher ausgemacht werden kann, weil beispielsweise neben der Annahme, dass die behaupteten, sexuellen Übergriffe tatsächlich so stattgefunden haben, auch eine weitere Alternative als Erklärung in Betracht kommt.
Insofern kommen Gutachten aus dem Bereich der Aussagepsychologie auch nie zu einem eindeutigen Ergebnis dahingehend, dass die Vorwürfe nachweisbar richtig oder falsch sind.
Muss sich ein Rechtsanwalt mit Aussagepsychologie auskennen?
Fundierte Kenntnisse aus dem Bereich der Aussage Psychologie sind die Grundlage anwaltlicher Tätigkeit im Sexualstrafrecht und insbesondere hier unverzichtbar.
Da auch Gerichte und Staatsanwaltschaften Aussagen nach dieser Methodik bewerten, kann überlegenes Wissen aus dem Bereich der Aussagepsychologie absolut hilfreich dabei sein, Fehlerquellen bei der gerichtlichen Bewertung zu erkennen und auf diese hinzuweisen. Dies setzt denklogisch voraus, Dass man in der Materie der Aussagepsychologie sattelfest ist und sein Handwerkszeug beherrscht.