bundesweite Strafverteidigung
Sexualstrafrecht: Tätigkeitsschwerpunkt der Kanzlei
Verfahrensabsprache (Deal im Strafprozess) nach § 257c StPO
Gerade in Sexualstrafverfahren kann es sich anbieten, über eine Verfahrenssabsprache für den Beschuldigten nachzudenken, mit dem Ergebnis, für diesen eine Bewährungsstrafe zu erreichen und ein aufwendiges sowie emotional belastendes Verfahren mit ungewissem Ausgang zu vermeiden. Eine solche Entscheidung will aber wohl überlegt sein.
Nicht immer sind Beschuldigte glücklich über diesen Vorschlag. Auch nicht, wenn er von dem eigenen Anwalt kommt.
Nicht selten beginnen Strafverfahren wegen sexuellem Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung oder einer sonstigen Sexualstraftat mit einer Ansprache des Vorsitzendenrichters an den Beschuldigten:
er möge sich überlegen, wie er sich zu den Vorwürfen stellt. Man könne das Ganze jetzt streitig verhandeln, das Ganze sei aber ein großes Risiko. Alternativ würde die Möglichkeit einer so genannten Verfahrensabsprache bestehen mit dem Ergebnis, dass der Beschuldigte die Vorwürfe gesteht und im Gegenzug eine Freiheitsstrafe auf Bewährung erhält. Manche Beschuldigte sind über diesen Vorschlag dankbar und erleiczhtert, andere sind empört und empfinden schon den Vorschlag als Vorverurteilung.
Teilweise wird ein solcher Vorschlag auch von Seiten der Verteidigung nach Rücksprache mit dem Beschuldigten angeboten, wenn dieser mit einem solchen Vorgehen einverstanden ist.
in jedem Fall basiert die angebotene Verfahrensabsprache auf der Vorschrift des § 257c der Strafprozessordnung, sogenannter Deal im Strafprozess.
Verfahrensabsprache als taktisches Manöver
Was ist von einer Verfahrensasprache (sog. Deal, § 257c StPO) mit dem Ziel einer Bewährung zu halten, wenn der Beschuldigte für sich die Überzeugung hat, dass die Tat, wegen der er beschuldigt ist, sich nicht ereignet hat. Sollte ein Beschuldigter eine Verfahrensabsprache dann aus taktischen Überlegungen annehmen? Oder lieber für seine Freiheit und Unschuld kämpfen?
Ich kann sagen, dass ich schon eine Vielzahl von Beschuldigten beraten und betreut habe, wie vor dieser Entscheidung standen. Also entweder eine Tat zu Unrecht zuzugeben, um im Gegenzg eine Bewährungsstrafe zu erhalten. Oder die Vorwürfe abzustreiten und damit alles auf sprichwörtlich eine Karte zu setzen.
Die Wahrheit ist, dass es eine richtige oder falsche Entscheidung hier nicht gibt.
Jeder Mensch muss an diesem Punkt überlegen, was für ihn wichtig ist:
Pragmatiker: sieht das reine Ergebnis
Der eine Mensch stimmt einer Verfahrensabsprache zu, da er vielleicht ohnehin Persönlichkeitsbedingt wenig risikofreudig ist und in einer derart wichtigen Lebensfrage kein Risiko eingehen möchte. Er akzeptiert sein Schicksal in Form einer zu Unrecht ergangen Verurteilung, behält hierfür aber auch sicher seine Freiheit. diesen Menschen ist es richtig, die Freiheit sicher zu erhalten, darüber hinaus wissen Sie, dass ihre Familie die Vorwürfe ohnehin nicht glaubt, auch unabhängig davon, dass man diese in der Verhandlung einräumt oder über seinen Anwalt der Anklage zustimmen lässt.
Kämpfer: gibt niemals zu, was nicht stimmt
Andere Menschen widerum erzähle mir, dass sie einerseits persönlichkeitsbedingt risikofreudig sind, aber zum anderen auch aus tiefster Überzeugung, niemals etwas zugeben würden, was so nicht stimmt. Man möchte für seine eigenen Interessen und die Freiheit kämpfen, auch in Kenntnis des Risikos, dass dieser Kampf im Falle der Niederlage auch den Verlust der Freiheit bedeutet. Kämpfernaturen oder Menschen mit einem besonders hohen Ehrgefühl nehmen dieses Risiko in Kauf.
Wie man sieht, kann es unterschiedliche Gründe dafür geben, eine Verfahrensabsprache nach § 257 der Strafprozessordnung zu akzeptieren oder abzulehnen. Die vorstehend ausgeführten Gründe für beziehungsweise gegen eine Verfahrensabsprache sind hierbei nur verkürzt dargestellt, exemplarisch und im Hinblick auf die Überlegungen die Beschuldigte anstellen um sich für die eine oder andere Option zu entscheiden, natürlich nicht abschließend.
Sofern Ihnen das Gericht eine Verfahrensabsprache anbieten und Sie unsicher sind, ob sie diese auch in Kenntnis der eigenen Unschuld akzeptieren oder ablehnen sollten, macht es immer Sinn, sich hierzu eine Expertenmeinung einzuholen. Kontaktieren Sie uns gerne unverbindlich, schildern uns Ihre Situation und wir raten auch in dieser schwierigen Frage gerne vor dem Hintergrund unserer umfassenden Erfahrung im Bereich Sexualstrafrecht.
Technischer Ablauf einer Verfahrensabsprache
Eine Verfahrensasprache wird zwischen den professionell Beteiligten Juristen ausgehandelt, also dem Gericht, Rechtsanwalt, Staatsanwalt und gegebenenfalls Nebenklagevertretern. Die Absprache selbst wird in der Regel in der Hauptverhandlung getroffen, zulässig ist aber auch eine Vereinbarung außerhalb der Hauptverhandlung, in der Regel in Vorbereitung auf das Verfahren und im Zusammenhang mit einer Abstimmung der notwendigen Anzahl der Verhandlungstermine.
Diese Verfahrensabsprache wird dann dokumentiert, wobei dann ein bestimmter Strafrahmen vereinbart wird, nach jüngster Rechtsprechung oberster Gerichte ist die Vereinbarung einer exakten Strafe, so genannte Punktstrafe, unzulässig.
Nach der Vereinbarung gibt das Gericht den Inhalt der vorbereiteten Verfahrensabsprache in öffentlicher Hauptverhandlung bekannt und fragt die Beteiligten, ob der Verfahrensabsprache zugestimmt werden soll. Stimmen alle Beteiligten zu, kommt die Absprache zu Stande. Dies hat zur Folge, dass das Beweisprogramm sodann in der Folge wesentlich verkürzt wird und der Beschuldigte sich sicher sein kann, dass die auszuteilen der Strafe den, was im Rahmen der Verfahrensabsprache vereinbart wurde, nicht übersteigt.
Besonderheiten der Verfahrensabsprache nach § 257c StPO
Das Gericht ist grundsätzlich an den Inhalt der Verfahrensabsprache für das weitere Verfahren gebunden.
Diese Bindungswirkung kann ein Ausnahmefällen entfallen, wenn beispielsweise das Prozessverhalten des Beschuldigten nicht dem Verhalten entspricht, was das Gericht bei der Absprache zu Grunde gelegt hat. Als Beispiel zu nennen, ist grob unhöfliches oder massiv respektloses Verhalten gegenüber dem Gericht auch trotz Verfahrensabsprache nach § 257c StPO.
Darüber hinaus kann sich das Gericht von der Verfahrensabsprache lösen, wenn in dem Verfahren neue Umstände auftreten, die das Ergebnis der Absprache als unangemessen gering erscheinen lassen. Als Beispiel ist hier zu nennen, wenn eine geschädigte Zeugin im Rahmen einer kurzen Anhörung zu den Vorwürfen massive, die gewöhnlichen Fälle sehr deutlich übersteigende Tat Folgen schildert oder Tatmodalitäten in Abweichung von dem bisher bekannten Inhalt der Anklage wesentlich schlimmer geschildert werden, als bislang bekannt. In einem von uns bearbeiteten Fall gab das Gericht beispielsweise trotz Verfahrensabsprache einer Strafe von 1J 10 Monate bis 2 Jahren auf Bewährung bekannt, sich von dieser zu lösen, nachdem die geschädigte Zeugin kurz zu dem Tatvorwurf der Vergewaltigung angehört worden war. Sie gab hier an, dass es über den normalen Vaginalverkehr gegen ihren willen eine massive, mit erheblicher Gewalt verbundene anale Vergewaltigung gegeben habe, die sie einerseits bis zum heutigen Zeitpunkt traumatisiert, aber auch zur inneren Verletzungen geführt habe. Da dieser Umstand bei der ursprünglichen Verfahrensabsprache nicht bekannt war und angesichts der neuen Schilderungdas Ergebnis in Form meiner Bewährungsstrafe als unangemessen gering erscheinen ließ, wurde die Absprache dann im Nachhinein aufgehoben.
Eine weitere Besonderheit der Verfahrensabsprache ist, dass der Beschuldigte unmittelbar nach der Urteilsverkündung nicht auf Rechtsmittel verzichten darf. Dies hat den Hintergrund, dass der Beschuldigte auch trotz einer Verfahrensabsprache völlig frei in der Entscheidung sein soll, ob er Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen möchte.