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BGH lehnt K.O.-Tropfen als gefährliches Werkzeug ab

In §177 Abs. 8 heißt es: „Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter bei der Tat eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug verwendet“. „Tat“ meint in diesen Zusammenhang den sexuellen Übergriff, die sexuelle Nötigung oder die Vergewaltigung. Die Frage, ob der Täter dabei zusätzlich eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug verwendet, ist wichtig, da sich der Strafrahmen damit erhöht.
Was sind „K.O.-Tropfen“?
Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich nun mit der Frage auseinandersetzen, ob die sogenannten „K.O.-Tropfen“ auch ein solches gefährliches Werkzeug darstellen können. Als „K.O.-Tropfen werden betäubende Substanzen bezeichnet, die oft bei Sexualdelikten genutzt werden, um das Opfer zu betäuben und so wehrlos zu machen. So mischen die Täter die Tropfen beispielsweise vom Opfer unbemerkt in dessen Getränk. Besonders wichtig ist es daher, seine Getränke auf öffentlichen Veranstaltungen niemals unbeaufsichtigt zu lassen. Die Tropfen wirken schnell und gehen oft mit Bewusstlosigkeit, Gedächtnisverlust und Orientierungslosigkeit einher. Daher können sich die Opfer nach der Tat aufgrund von Gedächtnislücken nicht mehr oder nur noch teilweise an die Tat erinnern.
Die Anwendung solcher Mittel ist zweifellos besonders verachtenswert, doch es ist fraglich, ob diese unter den Begriff des gefährlichen Werkzeugs im Sinne des §177 Abs. 8 Nr. 1 fallen.
Der konkrete Fall
In dem in Rede stehenden Fall ging es konkret um „GBL“, dss im Körper zu Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB), auch bekannt als „Liquid Ecstasy", umgewandelt wird. Nach den Feststellungen des Gerichts flößte der Angeklagte einer Frau – der Nebenklägerin in dem Fall, sowie wahrscheinlich auch seiner eigenen Verlobten während eines gemeinsamen Abends das GBL in ein Getränk. Seine Absicht sei dabei gewesen, die Frauen sexuell zu enthemmen, um so mit diesen sexuellen Handlungen vorzunehmen und sich zudem durch gegenseitige sexuelle Handlungen der Frauen sexuell zu erregen.
Dieser niedrige Plan der Angeklagten ging auch tatsächlich auf. Es kam zu sexuellen Handlungen zwischen ihm und den Frauen, wobei er unter anderem die Nebenklägerin küsste und sie in den Bereichen ihres Slips und ihren Brüsten streichelte. Dabei erkannte er auch, dass die Frauen, aufgrund des von ihm heimlich verabreichten GBLs, nicht mehr in der Lage waren, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder geschweige denn zu äußern.
Der Angeklagte wusste zudem bereits vor der Tat, dass die Einnahme von K.O.-Tropfen zu schweren Gesundheitsschädigungen führen kann und sogar lebensgefährlich sein kann.
So befand sich auch die hier betroffene Nebenklägerin in konkreter Lebensgefahr. Der Angeklagte fand sie im Laufe des Abends im Garten auf der Erde liegend, wobei die Geschädigte nicht mehr ansprechbar war. Es bestand die Gefahr, dass sie sich in diesem Zustand an ihrer eigenen Zunge erstickte.
BGH: kein gefährliches Werkzeug
Das Landgericht Dresden, als vorhergehende Instanz, verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs nach §177 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB. Damit bejahte das LG die Werkzeugeigenschaft der K.O.-Tropfen.
In seinem Beschluss vom 8. Oktober 2024 (5 StR 382/24) lehnt der Bundesgerichtshof dies nun jedoch ab. Zwar stellt die heimliche Gabe des GBL eine Gewaltanwendung nach §177 Abs. 5 Nr. 1 StGB dar, jedoch nicht die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs. Eine solche Auslegung verstoße gegen die Wortlautgrenze der Norm, denn der Begriff des „Werkzeugs“ erfasse nur feste Gegenstände. Flüssige oder auch gasförmige Substanzen fallen nicht darunter, weil sie keine direkte äußere Einwirkung auf den Körper haben. Auch die verwendete Pipette, mit der die K.O.-Tropfen in das Glas gegeben wurden, stellt kein solches Werkzeug dar. Diese diente lediglich zur Dosierung des Mittels und stelle damit selbst keine unmittelbare Verletzungsgefahr dar.
Damit folgt der BGH früheren Entscheidungen, wonach Stoffe nur dann als gefährliche Werkzeuge gelten, wenn diese ohne vorherigen Stoffwechselprozess im Körper eine schädliche Wirkung entfalten, wie beispielsweise eine ätzende Säure, die dem Opfer direkt ins Gesicht gespritzt wird. Diese führt, im Gegensatz zu den Tropfen, unmittelbar zu einer erheblichen Körperverletzung. Bei den hier in Rede stehenden K.O.-Tropfen findet jedoch ein solcher Stoffwechselprozess statt, dar, da diese ihre Wirkung erst nach der Einnahme entfalten.
Damit verwies der Bundesgerichtshof die Sache zudem mit dem Hinweis an das Landgericht zurück, dass es nach den allgemeinen Feststellungen des Gerichts nicht fernliege, dass der Angeklagte durch sein Handeln jedoch die konkrete Todesgefahr der Nebenklägerin herbeigeführt habe. Dies würde den Tatbestand des §177 Abs. 8 Nr. 2b StGB erfüllen, was ebenfalls eine höhere Strafe mit sich bringen würde. Wie das Landgericht entscheidet, bleibt jedoch abzuwarten.
Quellen: strafrechtsblogger.de, Wikipedia.de