Aktuelles

Anwalt für Sexualstrafrecht informiert

BGH: Sexsomnia Prozess geht in die nächste Runde

Es ist die Frage, die sich zunächst das Landgericht (LG) Lübeck und dann der Bundesgerichtshof stellte: Hat ein ehemaliger Staatsanwalt seinen Sohn im Schlaf missbraucht und war er dabei schuldunfähig? Das Landgericht Lübeck verurteilte den Mann Anfang 2024 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch. Da die Beweiswürdigung des Landgerichts Lübeck vor dem BGH der sachlichen Prüfung nicht stand hielt, hob der BGH die Verurteilung auf. Entscheidend dafür war vor allem die Aussage einer Zeugin.

Landgericht ging von der vollen Schuldfähigkeit aus

Der ,,Schlafwandel-Prozess’’ hatte für große Empörung gesorgt. Ein Junge erzählte seiner Mutter, sein Vater habe ihn sexuell missbraucht. Schlussendlich kam es nach Selbstanzeige des Mannes, sowie einem durch die Kindesmutter angestrengten Klageerzwingungsverfahren zur Anklage. In dem Verfahren vor dem Landgericht ging es um die Frage, ob der Angeklagte die Tat im März 2019 als Schlafwandler begangen hatte und deshalb schuldunfähig gewesen sein könnte. Dieses Phänomen ist in der Medizin als ,,Sexsomnia’’ bekannt. Denn in tatsächlicher Hinsicht bestritt der Vater die Vorwürfe nicht.

Trotzdem ging das Landgericht von der vollen Schuldfähigkeit des Mannes aus. ,,Wir gehen davon aus, dass die Tat als dysfunktionale Bewältigungsstrategie zu verstehen ist’’, so die Vorsitzende Richterin bei der Urteilsverkündung. Maßgeblich stützte sich das Landgericht auf ein Schuldfähigkeitsgutachten, welches das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung des Angeklagten zur Tatzeit ausgeschlossen hat.

BGH: Beschluss beruht auf Rechtsfehler

Im Beschluss des BGH hieß es, die Verurteilung beruhe auf einem Rechtsfehler. Vor allem kritisierte der BGH den Umgang des Gerichts mit einer ,,besonders wichtigen Zeugin’’. Das Gericht habe die Frage nach dem Motiv für eine mögliche Falschaussage nicht erörtert. Die Frau, eine als Richterin am Oberlandesgericht tätige Rechtsprofessorin und Hochschulrektorin, die einst selbst als Staatsanwältin für Sexualstraftaten und Kinderpornografie zuständig war und mit dem Angeklagten vor über 20 Jahren eine mehrjährige Beziehung führte, hatte zunächst geschildert, dass es ihr gegenüber mehrfach zu sexsomnischen Verhalten des Angeklagten gekommen sei. Das Landgericht glaubte der Frau nicht. Konkret meinte die Kammer, die Zeugin habe ,, keine erlebnisbasierten Ereignisse’’ geschildert.

Diese Beweiswürdigung hielt der Prüfung des BGH nicht stand. Es würde ‘’bereits an der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage der für die Schuldfähigkeitsbeurteilung besonders wichtigen Zeugin (...)’’ fehlen, so der Beschluss des BGH. Insbesondere hätte die Kammer des Landgerichts erörtern müssen, ob und inwieweit die Zeugin ein Motiv für eine Falschaussage hatte. Dieser Schritte aber hätte sich aufgedrängt, weil die Zeugin ,,mit einem erheblichen Reputationsverlust, der ihre berufliche Existenz gefährden könnte, zu rechnen hätte.’’ Hinzu komme, dass sie über 15 Jahre keinen Kontakt mit dem Mann gehabt hatte. Angesichts dieser Umstände hätte das Landgericht das Risiko einer Falschaussage diskutieren müssen.

Verteidiger erwartet Freispruch

Laut BGH sei es nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne diesen Rechtsfehler das Vorliegen von sexsomnischem Verhalten des Angeklagten in der Vergangenheit und daran anknüpfend die Frage der Schuldfähigkeit anders beurteilt hätte. Ber Beschluss des BGH bedeutet, dass sie Sache vor dem Landgericht neu verhandelt und entschieden werden muss. Die Verteidiger des Angeklagten begrüßten den Beschluss. ,, Es sind deutliche Worte, die den Freispruch für unseren Mandanten in einer neuen Hauptverhandlung nahelegen’’, so einer der Verteidiger des Mannes.  

Quellen: lto.de, BGH,Beschl. 15.01.2025, Az.5 StR 434/24

Rechtsanwalt Odebralski unverbindlich kontaktieren

Was ist die Summe aus 6 und 6?