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BGH: „Verbreiten“ i.S.d. §176c StGB setzt „Doppelte Absicht“ voraus

Nach §176c Abs. 2 StGB wird mit einer Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren bestraft, wer in den in Abs. 1 genannten Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern als Täter oder Beteiligter in der Absicht handelt, eine solche Tat zum Gegenstand eines pornographischen Inhalts zu machen, der im Sinne von §184b Abs. 1 oder 2 StGB verbreitet werden soll.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich nun in einer kürzlich getroffenen Entscheidung (Urt. v. 16.05.2024, Az. 3 StR 112/23) zum Begriff des „Verbreitens“ i.S.d. §176c Abs. 2 StGB geäußert. Dieser soll – anders als in §184b StGB, weit auszulegen sein. Jedoch wird eine „doppelte Absicht“ des Täters vorausgesetzt.

Der konkrete Fall

In der vorangegangenen Entscheidung des Landgerichts (LG) Wuppertal sei der „Verbreitungs“-Begriff zu eng ausgelegt worden.
Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten sich die beiden Angeklagten in verschiedenen Fällen sexuell an mehreren Kindern vergangen und von dem Tatgeschehen Foto- und Videoaufnahmen angefertigt. Der jüngere Angeklagte, der bei den Taten teilweise noch minderjährig war, stellte diese Aufnahmen zudem mindestens einer weiteren Person zur Verfügung und beabsichtigte außerdem eine Weitergabe der Aufnahmen bereits bei Vornahme der sexuellen Handlungen in einigen Fällen.

Das Landgericht verurteilte die zwei Angeklagten am 11. Juli 2022 unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, teilweise in Tateinheit mit Herstellen pornographischer Schriften oder Inhalte. Der ältere Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Den jüngeren Angeklagten betreffend, hat das Landgericht von einer Jugendstrafe abgesehen und stattdessen die mehrjährige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dieser habe sich über das Verbreiten der Aufnahmen lediglich „beweisen“ wollen, so das LG.

Fall des schweren sexuellen Missbrauchs

Daraufhin wurde Revision der Staatsanwaltschaft erhoben. Auf diese entschied der BGH nun in seinem Urteil vom 16. Mai 2024, dass eine andere Kammer des Landgerichts bezüglich des jüngeren Angeklagten neu über die Rechtsfolgen entscheiden muss. Dabei wird es primär um die Verhängung einer Jugendstrafe gehen.
Nach dem BGH sei er nicht nur wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, sondern wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht schuldig. Bezüglich der Verurteilung des älteren Angeklagten hat der BGH jedoch keine Rechtsfehler erkannt.

Seine Entscheidung, die Tat des Angeklagten als schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht einzustufen, begründet der BGH wie folgt. Das Landgericht habe den Verbreitungsbegriff des §176c StGB zu eng ausgelegt. Nach Auffassung des Landgerichts sei eine Verbreitungsabsicht im Sinne des Qualifikationstatbestandes nur dann anzunehmen, wenn der Täter bei dem sexuellen Missbrauch beabsichtigt, einen kinderpornographischen Inhalt anzufertigen und zu verbreiten. Dazu müsse das Material einem größerem, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden. Dies hatte das Landgericht vorliegend abgelehnt, da der Angeklagte das Material lediglich einer Person zugänglich machen wollte.

„Doppelte Absicht“ des Täters als Voraussetzung

Das sieht der BGH anders. Der Verweis in §176c Abs. 2 StGB erfasse sämtliche Varianten in §184b. Die sogenannte „Drittbesitzverschaffung“ nach Abs. 1 S. 1 Nr. 2, das heißt der Täter verschafft einer anderen Person Besitz an einem kinderpornographischen Inhalt, genüge mithin zur Verwirklichung des §176c Abs. 2 StGB.

Es braucht dabei die doppelte Absicht des Täters: Sprich erstens die Absicht, bei der Tat einen kinderpornographischen Inhalt zu erstellen und zweitens die Absicht, diesen Inhalt auch anschließend zu verbreiten. Das bloße Anfertigen reicht also nicht aus. Es bedarf zusätzlich stets der Verbreitungsabsicht. So komme dem Begriff des „Verbreitens" in „176c Abs. 2 StGB ein eigenständiger Bedeutungsgehalt zu. Dies rechtfertigt auch den erhöhten Strafrahmen der Qualifikation. Der Qualifikationstatbestand soll eben jenen erhöhten Unrechtsgehalt erfassen, wenn der Täter Aufnahmen von seinen Missbrauchshandlungen nicht nur aufnimmt, sondern auch weitergibt oder dies zumindest beabsichtigt.

Vorliegend hatte der jüngere Angeklagte diese doppelte Absicht. Der Qualifikationstatbestand ist für den BGH folglich erfüllt, so dass hier ein Fall des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht anzunehmen sei.

Quellen: lto.de, rechtsprechung-im-internet.de

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