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BGH zu Missbrauch durch Stiefvater: Obhutsverhältnis iSd. §174 StGB erfordert klaren Erziehungsauftrag

Nach §174 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich derjenige strafbar, der sexuelle Handlungen an einer minderjährigen Person vornimmt, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist. Es muss also ein Obhutsverhältnis zwischen Täter und Opfer bestehen. Im vorliegenden Fall musste sich der BGH mit der Frage beschäftigen, wann bei einem Stiefvater ein solches Verhältnis anzunehmen ist (Urt. v. 14.08.2024, Az. 4 StR 127/24).

Der konkrete Fall

Konkret ging es in dem Fall um den sexuellen Missbrauch mehrerer minderjähriger Mädchen durch ihren Stiefvater, bzw. ihren leiblichen Vater in insgesamt 285 Fällen. Das Landgericht Hamm verurteilte den Angeklagten daraufhin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt – unter anderem wegen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach §174 StGB.

BGH: Abhängigkeitsverhältnis erforderlich

Es wurde Revision eingelegt, so dass der BGH noch einmal über den Fall zu entscheiden hatte.

Bezüglich des erforderlichen Obhutsverhältnis im Rahmen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zitiert der 4. Strafsenat umfassend die Revisionsantragsschrift des Generalbundesanwalts (GBA) und schließt sich diesen Ausführungen an.
Dieser stellte fest, dass es für das Bestehen eines Obhutsverhältnisses zwischen einem Stiefvater und dem Kind über das bloße Zusammenleben hinaus ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der Über- und Unterordnung im „persönliche, allgemein menschlichen“ Bereich. Der Stiefvater müsse also den Kindern so übergeordnet sein, dass er sich selbst als „Familienvater“ sieht und so auch durch das Stiefkind wahrgenommen wird. Es brauche einen klaren Erziehungsauftrag.

Das Landgericht habe sich in seinem Urteil jedoch nicht ausreichend damit befasst, in welchem Maße sich der angeklagte Stiefvater an der Erziehung und Betreuung der Töchter an der Seite der leiblichen Mutter beteiligte.
Anhaltspunkte für eine ausreichende Beteiligung am Haushalt können etwa die Organisation des Tagesablaufs oder von Ausflügen der Kinder durch den Stiefvater, die Überwachung des Schulbesuchs, das Kümmern um Ernährung und Hygiene, das Zubettbringen, sowie die Teilnahme an gemeinsamen Mahlzeiten und die allgemeine Mithilfe im Haushalt sein.

Es wurde folglich nicht klar, inwieweit der Angeklagte die Rolle des „Familienvaters“ annahm.

Die Sache wurde daher zur erneuten Entscheidung an ein anderes Tatgericht verwiesen, so dass dieses noch einmal zu prüfen hat, ob belegt werden kann, dass die geschädigten Stiefkinder dem Angeklagten zur Erziehung anvertraut waren.

Quellen: lto.de, dejure.de

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