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Härtere Strafen für Sexualtäter?

Letztes Jahr im Dezember sorgte ein Urteil des Landgerichts Hamburg für viel Aufregung. Neun Männer vergewaltigten ein  fünfzehnjähriges Mädchen in einem Stadtpark. Wut und Unverständnis verbreiteten sich schnell, denn: Nur einer der Täter muss ins Gefängnis, die meisten anderen bekamen Bewährungsstrafen. Immer mehr hagelt es Kritik an der deutschen ,,Kuscheljustiz’’.

Die meisten Leser als juristische Laien

Häufig ist es so, dass die Urteile dem juristischen Laien als kaum nachvollziehbar erscheinen. Das liegt vor allem an der verkürzten Berichterstattung, sondern auch an der Sprache des Rechts.. Die meisten Menschen denken bei dem Begriff ,,Vergewaltigung’’ sofort an einen brutalen Überfalls. Dem ist allerdings nicht so. Der Straftatbestand der Vergewaltigung gemäß §177 StGB setzt nämlich die Ausübung von Gewalt gegen das Opfer nicht zwingend voraus, sodass auch ganz andere Konstellationen unter den Tatbestand fallen. Außerdem sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass man die Urteilsgründe der Entscheidung des Gerichts meistens nicht kennt. Dazu gehören beispielsweise schwierige persönliche Verhältnisse des Täters oder auch die tatsächliche Härte einer Freiheitsstrafe. Natürlich hat das Gericht bei der Frage der Strafzumessung auch die Folgen der Strafe für den Täter zu berücksichtigen. Insbesondere im Hinblick auf das Leid des Opfers darf jedoch keine, nicht mehr schuldangemessene, Strafe verhängt werden.

Strafurteil als kommunikativer Akt gegenüber der Öffentlichkeit

Zwei Expertinnen für Strafrecht Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski und Prof. Dr. Elisa Hoven warnen vor einer Entfremdung zwischen Bürgern und Justiz, denn häufig würde das Unverständnis über ein als zu milde wahrgenommenes Urteil in Kritik an Justiz und Rechtsstaat übergehen. Sogar ein Vertrauensverlust in die Strafjustiz als zuverlässige Instanz sozialer Kontrolle gegenüber Normverstößen könne die Folge sein, wenn die Strafvorstellungen von Bevölkerung und Gerichten zu weit voneinander abweichen.

Die Bevölkerung urteilt härter

In einer bundesweiten Studie haben die Expertinnen Richtern und Laien fiktive Fallkonstellationen vorgelegt, für welche Strafen festgelegt werden sollten. Auffällig war, dass die Laien in nahezu allen Fällen deutlich härter urteilten. Besonders unterschiedlich war die Strafzumessung im Bereich der Sexualdelikte. Die Laien legten im Durchschnitt eine Strafe von sechs Jahren und einem Monat fest, während die Richterinnen und Richter drei Jahre und zwei Monaten für einen Fall der Vergewaltigung verhängten.

Studie an der Universität Leipzig

In einer Studie an der Universität Leipzig wurden 86 amts- und landgerichtliche Urteile aus den Jahren 2016 bis 2020 analysiert, die sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen zum Gegenstand hatten. Die Ergebnisse waren vor allem:
Die Strafen zu sexuellen Übergriffen mit Gewalt lagen durchschnittlich bei einem Jahr und elf Monaten. Bei Vergewaltigungen mit Gewaltanwendung waren es zwei Jahre und zehn Monate. Das Erschreckende daran ist, dass sich alle verhängten Strafen im unteren Drittel des gesetzlichen Strafrahmens bewegten. In über 50% der Verfahren wurde eine Strafe verhängt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Umdenken bei der Bestrafung sexueller Übergriffe erforderlich

Die Expertinnen denken an die Neunzigerjahre zurück, als die Vergewaltigung  in der Ehe noch straffrei war. Auch heute käme in der milden Bestrafung sexueller Übergriffe noch eine Minderbewertung der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen zum Ausdruck. Es sei ein grundlegendes Umdenken bei der Bestrafung sexueller Übergriffe erforderlich. Richter und Richterinnen würden sich noch an ihrer besonderen Expertise, sondern meist an dem orientieren, was am Gericht ,,üblich’’ ist. So würde sich bei dem Strafmaß eine Tradition fortsetzen, die ihren Ursprung in einer Zeit hat, in der wenig Sensibilität für die Folgen sexualisierter Gewalt bestand.

Achtung!

Die vorstehenden Ausführungen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Die Argumente der ,,Expertinnen’’ klingen wie eine Zusammenfassung einer ,,Alles-wird-immer-schlimmer’’ Dokumentation. Wie so oft zeigt sich: die empirischen Grundlagen bleiben vage, die Schlussfolgerungen sind eher politisch als wissenschaftlich. Vieles spricht dafür, dass die Anzeige- und Verfolgungshäufigkeit von Sexualdelikten in den vergangenen Jahren enorm angestiegen ist. Sexualstraftaten werden heute härter bestraft als früher. Eine angebliche Kultur zu milde ausgebildeten Richtern sei dahingestellt. Auch wenn die Forderung zu härteren Strafen politisch legitim ist, soll wiederholt werden: Viele Behauptungen sind empirisch nicht belegt !.  

Quellen: FAZ.de

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