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Justizskandal um Josephine R: Eltern nach 684 Tagen aus Haft entlassen

In den folgenden Jahren erfand Josephine immer mehr Taten, beschuldigte immer mehr Menschen. Ein Musiklehrer, ein Nachbar, ein Polizist, sie alle und noch viele mehr hätten sie vergewaltigt, gequält und misshandelt. Irgendwann zählte der Ermittlungsleiter rund 60 Beschuldigte. Bereits in der Kindheit soll der Missbrauch begonnen haben. Sie sei weggesperrt und gefoltert worden. Auch erzählte die junge Frau von Abtreibungen und getöteten Babys. Schon bei der Beweisaufnahme gab es Zweifel an den Anschuldigungen der Tochter. Denn Beamte stießen immer mehr auf Widersprüche, Tatzeiten passten nicht zusammen. Angebliche Missbrauchsszenen waren offenbar gestellt.  Auch ein Gutachter hatte ausgesagt, er halte es für unwahrscheinlich, dass die Vorwürfe der Wahrheit entsprechen. Doch geglaubt wurde diesem nicht. Im ersten Verfahren wurden die Eltern verurteilt. Thorsten R. zu 9,5 Jahren Haft und Ramona R. sogar zu 13,5 Jahren Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung.

Im März 2024 kippte der Bundesgerichtshof dieses Urteil. Das Verfahren musste wiederholt werden. Nun spricht die erste große Strafkammer des Landgerichts Braunschweig die Angeklagten von sämtlichen Tatvorwürfen frei. „Es ist ein Freispruch erster Klasse, ein Freispruch wegen erwiesener Unschuld“, so die Richterin. Denn Josephine R. ist es gelungen, unfassbar viele Menschen zu täuschen. Der Ermittlungsrichter war über die „fantastische Erinnerung“ der jungen Frau beeindruckt. Auch der Psychologe habe in all den Jahren seiner Gutachtertätigkeit selten so eine qualitativ hochwertige Aussage gehört. Als Ermittler im zweiten Prozess im Detail erzählten, welches Lügenkonstrukt ihre Tochter geschaffen hatte, schüttelten die Angeklagten fast minutenlang den Kopf.

Doch warum macht eine Tochter so etwas? Der Psychologe äußerte den Verdacht, dass Josephine R. den krankhaften Drang haben könnte, immer fantastische Geschichten zu erzählen. Dieses Phänomen nennen Ärzte Pseudologia phantastica. Bei Josephine könnte es sogar in der besonderen Form des Münchhausen-Syndroms vorliegen. Hier fügen sich Betroffene schwere Verletzungen zu, um Zuwendungen zu bekommen. Sollte Josephine bewusst hinnehmen, dass Menschen und sogar ihre eigenen Eltern zu Unrecht inhaftiert werden, steht noch eine ganz andere Diagnose im Raum. Solch manipulatives Verhalten und Empathielosigkeit sind Faktoren, die auch bei Psychopathie in Erscheinung treten.

Die Kammer lässt keinen Zweifel daran, dass die junge Frau gefährlich ist. Noch hat die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren gegen die 26-Jährige, etwa wegen falscher Verdächtigung eingeleitet.  

Quelle: spiegel.de, ndr.de, sz.de

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