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LG Aachen: Berufung auf Verjährung beim sexuellen Missbrauch durch Geistliche

Für die Betroffenen ein eher ernüchterndes Ende: ein Vergleich, eine Verjährung. Das war das Ergebnis nach den Verhandlungen am Landgericht Aachen. Konkret ging es um zwei Fälle, in denen Geistlichen der katholischen Kirche sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde (Urt. v. 02.07.2024, Az. 12 O 361/23, 12 O 416/23, 12 O 444/23). In einem Fall kam es zu einem Vergleich, die andere Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld wurden wegen Verjährung abgewiesen.
Was war passiert?
Dem ersten Fall des Vergleichs lag folgender Sachverhalt zugrunde. In seiner Zeit als Messdiener erfuhr der heute 71-jährige Geschädigte über Jahre hinweg Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche. Ursprünglich bestand eine Forderung über 180.000 Euro Schmerzensgeld. Nun erhielt er 100.000 Euro - ein Betrag, der dem Vergleichsvorschlag des Gerichts entspricht.
Im zweiten Fall trug der Kläger vor ebenso durch Geistliche der katholischen Kirche über Jahre hinweg sexuell missbraucht und auch vergewaltigt worden zu sein. Es stand eine Forderung über 600.000 Euro Schmerzensgeld im Raum. Doch zum einen merkte das Bistum Aachen an, dass nach über 30 Jahren nicht mehr nachvollziehbar sei, dass diese Taten überhaupt stattgefunden haben. Zum anderen seien diese ohnehin verjährt. Die Einrede der Verjährung hatte beim LG Aachen Erfolg, so dass die Kammer von einer weitergehenden gerichtlichen Aufklärung der Taten absah.
Berufung auf Einrede der Verjährung für Bistum überhaupt möglich?
Im Zuge des zweiten Falls musste sich das Gericht mit der Frage beschäftigen, ob eine Berufung auf die Einrede der Verjährung für das Bistum Aachen überhaupt möglich war. Fraglich war, ob die Berufung gegen Treu und Glauben i.S.d. §242 BGB verstoßen könnte. Das Landgericht lehnte dies ab und entschied somit zugunsten des Bistums.
Zum einen sei die Verjährung bereits ohne Ausnahme eingetreten. Die Kammer stellte fest, dass es zwar etwaige Drohungen durch Geistliche gab, die die Opfer des Missbrauchs möglicherweise davon abgehalten haben, Klage zu erheben. Jedoch sei eine Fortwirkung dieser Drohungen über die vielen Jahre hinweg nicht plausibel.
Zudem sei es der Wille des Gesetzgebers, dass selbst bei „schlimmsten Missbrauchstaten“ nach mehr als 30 Jahren keine gerichtliche Aufklärung mehr erfolgen sollte. Dieser Wille ergibt sich aus §202 Abs. 2 BGB. Dieser sieht vor, dass die Verlängerung der Verjährungsfrist auf über 30 Jahre auch bei einer beidseitigen rechtsgeschäftlichen Einigung unwirksam ist. Umso mehr müsse dies also für einseitiges Verhalten – hier in Form von UKA-Zahlungen an die Missbrauchsopfer – gelten.
Quellen: lto.de