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Meistbegünstigung bei Kinderpornografie

Das Prinzip der Meistbegünstigung
Tritt ein anderes Gesetz zwischen Beendigung der Handlung und der Entscheidung in Kraft, gilt das mildere Gesetz. Dies ergibt sich bereits aus Art.103 Abs.2 GG, wenn das zur Zeit der Tat gültige Gesetz verschärft wird. Das Prinzip der Meistbegünstigung, ein späteres milderes Gesetz rückwirkend anzuwenden, lässt sich allerdings nicht Art.103 Abs.2 GG entnehmen, der lediglich die rückwirkende Anwendung späteren Rechts zuungunsten des Täters verbietet.
Wird ein Strafgesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, ist nach dem Meistbegünstigungsprinzip in einem Vergleich der Rechtslagen das jeweilige Ergebnis festzustellen und am Ende das für den Beschuldigten Günstigste für die Endentscheidung bestimmend. Welches das mildeste Gesetz ist, wird im Gesamtvergleich des konkreten Einzelfalls eruiert. Dabei ist die Gesamtheit der dem Täter drohenden Strafnachteile zu berücksichtigen. Es gilt, außerdem gesetzlich vorgesehene Milderungsmöglichkeiten, deren Anwendung im konkreten Fall geboten wäre, in die Feststellungen des mildesten Gesetzes einzubeziehen. Trotzdem ist der Grundsatz der Alternativität zu wahren, nach dem es unzulässig ist, beide Strafgesetze zu kombinieren. Nebenfolgen und Nebenstrafen sind bei der Prüfung erst dann heranzuziehen, wenn sich bei dem Vergleich der Hauptstrafen nach Strafart und Strafhöhe das mildeste Gesetz nicht ermitteln lässt.
Allein das materielle Recht ist entscheidend für den Vergleich, nicht hingegen das Verfahrensrecht. Ein Gesetz ist grundsätzlich milder, wenn es den Wegfall der Strafdrohung bedingt, wenn die Tat wegen dem Eintritt der Verjährung nicht mehr verfolgbar ist oder wenn das Gesetz keine Mindeststrafdrohung enthält. Eine Geldstrafe ist stets milder als jede freiheitsentziehende Strafe.
Gesetzesänderungen sind in jeder Lage des Verfahrens zu beachten. Das gilt auch für solche, die erst nach dem letzten tatrichterlichen Urteilsspruch, aber noch vor der Revisionsentscheidung eingetreten sind und im Rahmen einer Sachrüge relevant werden. Auch zu berücksichtigen ist eines Gesetzesmilderung, wenn das Urteil im Schuldspruch bereits rechtskräftig wurde oder nur noch über eine Strafaussetzung zu entscheiden ist.
Entscheidung des BGH
Der BGH hat entschieden, dass die mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung des Mindeststrafen des §184b Abs.1 S.1 und Abs.3 des Strafgesetzbuches vom 24. Juni 2024 ab dem 28. Juni 2024 geltende Fassung des §184b Abs.3 StGB ist gegenüber der vorherigen Fassung das mildere Gesetz gemäß §2 Abs.3 StGB, was nach §354a StPO auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen ist.
Das Landgericht Essen hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in zwei Fällen und wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Ausspruch über die verhängte Einzelstrafe war aufzuheben. Für die am 18.Oktober 2021 begangene Tat hat die Strafkammer - zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zutreffend - den Strafrahmen des §184b Abs.3 StGB in der vom 1. Juli 2021 bis zum 27. Juni 2024 geltenden Fassung berücksichtigt, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vorsah. In der mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung der Mindeststrafen des §184b Abs.1 S.1 Abs.3 des Strafgesetzbuches vom 24.Juni geltenden Fassung sieht die Vorschrift jedoch einen Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Daher ist als milderes Gesetz nunmehr diese Norm anzuwenden.
Quelle: beck-online.de - Anwendung des milderen Gesetzes im Revisionsverfahren