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#MeToo – Was steckt hinter der Bewegung?

Der Phrase „MeToo“ geht vor allem in sozialen Netzwerken seit dem Weinstein-Prozess im Jahr 2017 um die ganze Welt. Doch was meint #MeToo überhaupt? Und was bedeutet die Bewegung für den deutschen Strafprozess?

„Me too“ bedeutet wörtlich übersetzt „Ich auch“ und meint: „Mir ist das auch passiert“. Der Phrase geht inzwischen um die ganze Welt und lässt sich nicht nur auf diversen SocialMedia-Plattformen, sondern beispielsweise auch auf vielen Demonstrationen finden, auf denen vor allem Frauen Plakate mit #MeToo in die Höhe halten.

Doch was bedeutet die #MeToo - Bewegung?

Alles begann bereits im Jahr 2006, als die Aktivistin Tarana Burke die Phrase im sozialen Netzwerk „MySpace“ benutzte um im Rahmen einer Kampagne die Empathie unter afroamerikanischen Frauen zu fördern, die Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch gemacht hatten.

Im Oktober 2017 veröffentlichte die New York Times dann einen Artikel über den Weinstein-Skandal. Dem bekannten Filmproduzenten Harvey Weinstein warf man sexuelle Belästigung, Nötigung und Vergewaltigung vor. Im Zuge des Skandals startete Schauspielerin Alyssa Milano einen Aufruf und ermutigte Frauen dazu auf, ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen unter dem Hashtag #MeToo zu teilen. Im Zuge dessen verbreitete sich der Hashtag rasend schnell in sozialen Netzwerken. Noch am gleichen Tag, dem 15. Oktober 2017 wurde der Hashtag auf Twitter über 200.000 Mal verwendet – auf Facebook sogar über 12 Millionen Mal.

Dies hatte weitreichende und vor allem internationale Folgen. Denn nicht nur in Amerika, sondern in mindestens 85 Ländern, darunter Indien, Pakistan, Israel, und die Volksrepublik China, trendete der Hashtag. Dies führte dazu, dass vor allem Männer in Führungspositionen an den „öffentlichen Pranger“ gestellt wurden, die ihre Position zu sexuellen Übergriffen ausgenutzt hatten. Viele mussten zurücktreten oder wurden entlassen.

So warfen beispielsweise acht Frauen den ehemaligen US-Präsidenten George H. W. Bush vor, sie bei Treffen begrapscht zu haben. Auch Michael Fallon, Mitglied des britischen Parlaments, trat im November 2017 wegen ähnlicher Anschuldigungen zurück.
Doch auch Männer machten im Zuge der Bewegung auf erlebten sexuellen Missbrauch aufmerksam. So gab Schauspieler Anthony Rapp Ende Oktober 2017 an, im Alter von 14 Jahren auf einer Party von dem damals 26-jährigen alkoholisierten Kevin Spacey  sexuell belästigt worden. Kurz darauf gaben acht weitere Männer an, ebenfalls sexuelle Belästigung durch Spacey erfahren zu haben.

Doch die Bewegung wirft auch viele Fragen auf: Wie ist mit den Vorwürfen umzugehen? Welches Gewicht kommt den Aussagen der Betroffenen in einem Verfahren zu?

Der Weinstein-Skandal

Für die Beantwortung dieser Fragen ist noch einmal ein Blick auf den Prozess um Harvey Weinstein zu werfen. Der ehemalige Filmproduzent wurde 2020 wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung in New York zu 23 Jahren Haft verurteilt. Dabei ging es konkret um zwei Fälle: eine Vergewaltigung im Jahr 2013 und eine sexuelle Nötigung im Jahr 2006.

Doch nach eingelegter Berufung hob das New York Court of Appeals die Entscheidung wegen schwerer Verfahrensfehler auf. Es wurden vor Gericht Zeugenaussagen und Fragen zu nicht angeklagten Taten zugelassen. Diese sollten laut Staatsanwaltschaft Aufschluss über ein Muster des missbräuchlichen Verhaltens Weinsteins und seine Neigung zu solchen Taten nachweisen.

USA: „Molineux“-Regel

Somit stellte sich die Frage, ob diese Aussagen als Indizien für den Beweis der angeklagten Tat herangezogen werden dürfen, vor allem um auf ein wiederkehrendes Verhaltensmuster und bestimmte Neigungen schließen zu können, wie die Staatsanwaltschaft es vorliegend bei Weinstein machen wollte.

Für die Beantwortung dieser Frage ist es wichtig zu wissen, dass im US-amerikanischen Recht nicht der Richter, sondern die Jury aus Geschworenen über die Schuld des Angeklagten entscheidet. Staatsanwaltschaft und Verteidigung stellen der Jury dabei die Beweise vor, um diese von „ihrer Seite“ zu überzeugen. Der Richter agiert dabei als Schiedsrichter und entscheidet, welche Beweise zugelassen werden, ohne die Jury unzulässig zu beeinflussen. Um eine solche unzulässige Beeinflussung der Jury zu vermeiden und damit ein faires Verfahren zu sicheren, gibt es strenge Beweisregeln wie die „Molineux“-Regel. Diese verbietet es grundsätzlich, Zeugenaussagen zu im Verfahren nicht angeklagten Taten zuzulassen. Dies sei nur in Ausnahmefällen möglich.

In der Zulassung der Zeugenaussagen sah der New York Court of Appeals jedoch ein Verstoß gegen die „Molineux“-Regel, weshalb das Urteil letztlich aufgehoben wurde. Weinsteins Recht auf ein faires Verfahren wurde verletzt.

Doch auch wenn Molineux-Zeugen in einem neuen Prozess gegen Weinstein nicht gehört werden können, so heißt dies nicht automatisch „Freispruch“. Im Gegenteil, denn die Staatsanwaltschaft will neue Taten anklagen und in diesem Zuge auch neue Zeugen präsentieren.

Im Vergleich: Deutschland

Das Urteil galt in der Presse zunächst als Durchbruch im Kampf gegen sexuelle Gewalt gefeiert. Die Aufhebung des Urteils bedeutete für viele ein Scheitern der #MeToo-Bewegung. #Me-Too-Aussagen von Zeugen könnten in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen eigentlich gar nicht mehr gewertet werden. Auch in Deutschland befürchteten viele, dass es nun schwieriger wird, sich gegen sexuellen Missbrauch – vor allem unter Ausnutzung des Einflusses einer besonderen Stellung, zu schützen.

Doch in Deutschland gestaltet sich der deutsche Strafprozess erheblich anders als in den USA. Aufgabe des deutschen Gerichts ist es, den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären.
Geht es um die Zulässigkeit von Zeugenaussagen, so hat der Richter zwar grundsätzlich im Einzelfall darüber zu entscheiden. Jedoch können zusätzlich Anträge durch Staatsanwaltschaft und Verteidigung erhoben werden, sollten diese die weitere Würdigung von Aussagen für erforderlich halten. Es kann daher vor allem in Fällen, in denen es Aussage gegen Aussage steht, sogar zwingend geboten sein, Zeugenaussagen zu ähnlichen Taten zu verwerten, auch wenn diese Taten gar nicht Teil der Angeklage sind. Nur so kann der tatsächliche Sachverhalt bestmöglich ermittelt werden.

Fazit: #MeToo im deutschen Strafprozess

Es gibt keine Molineux-Regel wie in den USA, sondern ganz im Gegenteil ist die Beachtung von #MeToo-Zeugenaussagen sogar gewünscht. Abschließend kann man daher sagen, dass zumindest in Deutschland die #MeToo-Bewegung keinesfalls gescheitert ist. Vielmehr wird #MeToo im deutschen Strafprozess bereits gewürdigt.

Quellen: lto.de, fes.de, wikipedia.de

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