Aktuelles

Anwalt für Sexualstrafrecht informiert

OVG NRW: Dauerobservation eines rückfallgefährdeten Sexualstraftäters ist rechtmäßig

Die polizeiliche Dauerobservation eines rückfallgefährdeten Sexualstraftäters von März 2009 bis Februar 2011 ist wegen der von ihm ausgehenden erheblichen konkreten Gefahr rechtmäßig – ungeachtet der damit einhergehenden Auswirkungen für die Angehörigen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in seinem Urteil vom 5.7.2013 (5 A 607/11) entschieden.

Der konkrete Fall

In dem konkreten Fall ging es um einen hochgradig rückfallgefährdeten Sexualstraftäter.

Der Mann war zweimal wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt worden. Nach seiner letzten Freiheitsstrafe von 14 Jahren kamen zwei Gutachter im Jahre 2008 zu dem Ergebnis, dass der Mann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Straftaten in Zukunft begehen werde. Trotz dieser Einschätzung erwies sich eine Unterbringung in der Sicherheitsverwahrung als rechtlich unmöglich. Der zuständige Behördenleiter entschied sich daher für die längerfristige Observation.

OVG: polizeiliche Dauerobservation rechtmäßig

Das OVG bestätigt mit seinem Urteil nun noch einmal diese Entscheidung des Behördenleiters. Die polizeiliche Observation, die sich über mehrere Jahre hinweg zog, sei trotz der langen Dauer rechtmäßig.

Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

Als Rechtsgrundlage für die Observation wurde zunächst §16a PolG NRW in Erwägung gezogen, welcher die Datenerhebung durch Observation grundsätzlich regelt. Danach kann die Polizei durch längerfristige Observation personenbezogener Daten über Personen ergeben, soweit Tatsachen die Annanhem rechtfertigen, dass diese Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wollen, sowie über deren Kontakt- oder Begleitpersonen, wenn die Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich ist.

§16a PolG NRW stelle jedoch keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den vorliegenden Fall dar. Grund dafür ist, dass die hier durchgeführte Dauerobservation eben nicht primär auf eine Datenerhebung gerichtet war. Sie diente vielmehr dazu, den Angehörigen des Klägers durch die dauerhafte Beobachtung in erster Linie von der Begehung weiterer Straftaten abzuschrecken und die Möglichkeit des jederzeitigen polizeilichen Zugriffs zu gewährleisten.

Das Gericht kam jedoch zu der Auffassung, dass man die Maßnahme im maßgeblichen Zeitraum zumindest übergangsweise unter Zugrundelegung strenger Verhältnismäßigkeit auf die polizeiliche Generalklausel §8 Abs. 1 PolG NRW habe stützen können. Danach ist die Polizei befugt die „notwendigen Maßnahmen“ zu treffen, um eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Zwar sei die Generalklausel grundsätzlich nicht geeignet, solche Maßnahmen dauerhaft zu rechtfertigen, jedoch hat das Gericht hier den sogenannten „Chaosgedanken“ angewandt. Nach diesem ist es anerkannt, dass eine an sich nicht ausreichende Vorschrift trotz ihrer Defizite für einen Übergangszeitraum als Rechtsgrundlage ausnahmsweise angewendet werden kann, wenn sonst ein Zustand eintreten würde, der der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als die vorrübergehende Hinnahme einer solchen grundsätzlich nicht ausreichenden Ermächtigungsgrundlage.

Familienangehöriger klagte gegen die Observation

Die polizeiliche Observation hatte jedoch auch für diejenigen Familienangehörigen, die ihn in ihrem Haus aufgenommen hatten, extreme Auswirkungen. Geklagt hatte deswegen nicht der Täter selbst, sondern sein Angehöriger. Diese seien jedoch hinzunehmen, so das OVG.

Dafür spricht zum einen die von dem Verurteilten ausgehende Rückfallgefährdung.

Von diesem sei auch nach seiner Entlassung eine eben solche erhebliche konkrete Gefahr für höchste Rechtsgüter anderer Personen ausgegangen, wie sie §8 Abs. 1 PolG NRW voraussetzt. Für diese Prognose haben bis zum Ende des betroffenen Zeitraums feste Anhaltspunkte bestanden. Zudem wurden die Angehörigen nicht gezielt mitobserviert.

Daher deckt die polizeiliche Generalklausel §8 Abs. 1 PolG NRW auch die unvermeidbare Mittbetroffenheit des klagenden Angehörigen. Damit sei die Observation  nach dem OVG insgesamt als rechtmäßig zu werten.

Quellen: kostenlose-urteile.de, alpmann-schmidt.de

Rechtsanwalt Odebralski unverbindlich kontaktieren

Bitte rechnen Sie 3 plus 1.