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Paragraf 218: Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen noch vor Neuwahl?

Es ist ein Thema, das Menschen in Deutschland bereits seit Jahrzehnten beschäftigt. Es geht um den Paragraf 218 des Strafgesetzbuches, der bis heute Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Nur unter ganz bestimmten Bedingungen kommt die betroffene Frau straflos davon.

Doch jetzt soll die lang ersehnte Neuregelung ganz schnell kommen – am besten noch vor der Neuwahl im Februar 2025.

Bisherige Regelungen bei Schwangerschaftsabbrüchen

Schwangerschaftsabbrüche sind derzeit in den §§218 ff. des StGB geregelt. Der §218 StGB stellt einen Abbruch grundsätzlich unter Strafe. Um straffrei zu bleiben, muss die Frau den Abbruch innerhalb er ersten zwölf Wochen ihrer Schwangerschaft vornehmen und sich zuvor beraten lassen. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird.

Der Grund für diese Regelung erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar. Der deutsche Gesetzgeber ist darauf bedacht, Abtreibungen nicht zu „normalisieren“.
"Ein Schwangerschaftsabbruch ist kein medizinischer Eingriff wie jeder andere", sagt zum Beispiel Gesundheitsminister Jens Spahn. Damit gibt er zu bedenken, was schon viele vor ihm getan haben. Dabei gibt es kaum Gegenstimmen, die das behaupten. Am wenigsten Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben. Denn ein Abbruch ist eine extreme Belastung, die wohl keine Frau leichtfertig hinnimmt.

Doch die Angst vor der Normalisierung ist ein Punkt, den viele an einer möglichen Legalisierung kritisieren. Sie befürchten, dass viele Frauen die Abtreibung als „Alternative zur Verhütung“ ansehen würden und es somit zu einem hohen Anstieg von Abtreibungen kommen könnte. Dabei zeigen internationale Zahlen, dass die Länder, die liberalere Abtreibungsgesetze haben, die Länder mit den wenigsten Schwangerschaftsabbrüchen sind. Es gilt außerdem zu hinterfragen, wieviel ein gesetzliches Verbot dahingehend tatsächlich bringt. Frauen, die hier in Deutschland nicht mehr abtreiben können, weil die 12 Wochen bereits um sind, fahren meist einfach ins Ausland, wo ein Abbruch auch noch später möglich ist.

„Respekt vor der Entscheidung einer Frau“

Über die Abschaffung des Paragrafen wird seit Jahrzehnten diskutiert. Immer wieder gibt es Demonstrationen, bei denen vor allem Frauen mit Plakaten wie „Respekt vor der Entscheidung einer Frau“ und „My body, my choice“ die Abschaffung des §218 fordern.

Doch es tun sich auch immer wieder Gegendemonstrationen auf. Vor allem vor Stellen, die Abtreibungen durchführen stehen immer wieder Aktivisten. Bei ihnen heißt es: „Unborn lives matter" und „Menschenrechte beginnen im Mutterleib“.

Zum Schutz der abtreibenden Frauen wurde jüngst ein Gesetz beschlossen, dass es den Aktivisten verbietet, innerhalb eines Umkreises von 100 Metern um die Praxen oder Beratungsstellen zu protestieren. Sollten die Abtreibungsgegner sich dem widersetzten und dennoch innerhalb der Schutzzonen protestieren, so müssen sie mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro rechnen. Außerdem soll der „Gehsteigbelästigung“ durch aggressive Protestaktionen und Abtreibungsgegnern dadurch Einhalt geboten werden, dass Schwangere nicht mehr entgegen ihrem erkennbaren Willen die eigene Meinung durch Ansprache aufdrängen.

Konflikt zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmung

Nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Literatur und in diversen Medien finden sich immer wieder Stimmen, die der Legalisierung von Abtreibungen kritisch gegenüberstehen. In der Debatte geht es vor allem um zwei Punkte: Das Selbstbestimmungsrecht der Frau auf der einen Seite und der Schutz des „Nasciturus“, also des ungeborenen Lebens auf der anderen Seite. Das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG, das Lebensrecht des Nasciturus aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 unseres Grundgesetzes.

Bildlich gesprochen liegen damit zwei verfassungsrechtlich geschützte Rechte in der Waagschale unserer Justizia. Eine einfachgesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs muss so gestaltet sein, dass dieser Konflikt verfassungskonform gelöst werden kann. Im Sinne der „praktischen Konkordanz“ sollen dabei beide betroffenen Rechte möglichst optimal gewahrt und nicht ausgehöhlt werden.

Dabei kennt das Grundgesetz keine pauschale Rangfolge der Grundrechte. Besonders Menschen, die eigene religiöse Überzeugungen über den Wert eines menschlichen Lebens verfolgen, sind oft gegen Schwangerschaftsabbrüche. Doch  mögen solche Erwägungen auch als persönliche Orientierung legitim sein, so hat der Verfassungsstaat in einer Abwägung der beiden Rechte solche Erwägungen religiöser Art nicht zu beachten.

Vielmehr sind moralethische, praktische und rechtliche Erwägungen heranzuziehen. Nicht zuletzt kommt es aber auf die individuelle Überzeugung und Gewissensfreiheit der betroffenen Frau an. Wieviel Raum lässt man der Frau also, solch eine Entscheidung selber zu treffen? Und wieviel Schutz muss dem ungeborenen Leben gewährt werden? Mit diesen Fragen muss sich der Bundestag nun beschäftigen.

Was soll sich ändern?

Abgeordnete verschiedenster Fraktionen wollen nun etwas ändern. Sie sind der Meinung, dass Frauen, die abtreiben wollen, wegen des Gesetzes schlechter versorgt werden. Außerdem wird der Eingriff in der medizinischen Ausbildung nicht verpflichtend gelehrt. Wegen der drohenden Strafbarkeit sei es für Ärzte und Ärztinnen unattraktiv, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Aufgrund der Rechtslage bieten daher immer weniger Praxen und Kliniken Abbrüche an.

Es sollen also Frauen entlastet werden, die ohnehin schon vor einer schwierigen Entscheidung stehen und sich damit in einer belastenden Lebenssituation befinden. Der Gesetzesentwurf sieht vor, Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche zu legalisieren. Weiterhin soll jedoch eine Pflicht zur Beratung bestehen bleiben. Sollte ein Schwangerschaftsabbruch trotz fehlender Beratungsbescheinigung dennoch stattfinden, so soll sich nur der behandelnde Arzt, bzw. Ärztin strafbar machen. Durch die Neuregelung sollen die Frauen auch finanziell entlastet werden. Die Kosten für den Eingriff sollen die Krankenkassen regulär übernehmen, sobald die Illegalität aufgehoben wird.

Am 5. Dezember soll der Bundestag, über den von hunderten Abgeordneten, gestellten Antrag beraten.

Ampel-Aus bremst Gesetzesvorhaben aus

Doch das Vorhaben droht vor allem wegen des anstehenden Wahlkampfs unentschieden zu bleiben. Grundsätzlich kann der Bundestag noch bis zur geplanten Neuwahl am 23. Februar Gesetze beschließen. Fraglich ist nur, ob bis dahin die erforderliche Mehrheit erreicht werden kann – an dieser fehlt es nämlich bislang.
Momentan sitzen 733 Abgeordnete im Bundestag. Für die erforderliche Mehrheit braucht es also die Stimmen von 367 Abgeordneten. Bislang sprechen sich jedoch lediglich 327 für eine Legalisierung aus. Die meisten Befürworter kommen dabei von der SPD, den Gründen und der Linken. Die AfD ist generell gegen eine Legalisierung. Unionsfraktionschef Friedrich Merz kritisiert das Vorhaben ebenfalls. Ein solch grundlegendes Thema noch schnell „durchboxen“ zu wollen, würde der Sache nicht gerecht werden. Es brauche seriöse Beratung. "Wenn wir über dieses Thema reden, dann brauchen wir dafür Zeit, dann brauchen wir dazu auch Gutachten, was verfassungsrechtlich zulässig ist", sagte Merz.

Ob es der Bundestag überhaupt schafft, noch vor den Neuwahlen über den Antrag abzustimmen, bleibt also abzuwarten.

Quellen: zdf.de, tagesschau.de, lto.de, stern.de, „Mordlust“ der Podcast

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