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Sexuelle Handlungen mit 5-jähriger Nachbarin - BGH entscheidet über eine mögliche Jugendstrafe

Das Jugendstrafrecht gemäß dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) zeichnet sich vor allem durch die Anwendung von meist milderen Sanktionen aus. Allerdings können auch im Jugendstrafrecht unter bestimmten Gegebenheiten des Einzelfalls Freiheitsstrafen verhängt werden. Die Jugendstrafe nach §17 JGG gilt dabei als die härteste Sanktion, die einem Jugendlichen auferlegt werden kann. Sie wird nur dann verhängt, wenn Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmittel als nicht ausreichend eingestuft werden und wenn die Schwere der Schuld oder eine schädliche Neigung des Jugendlichen vorliegt.

Mit der Frage, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Jugendstrafe erfüllt sind, musste sich der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 29. Juni 2023 (3 StR 56/23) befassen.

Der konkrete Sachverhalt

Nach den Feststellungen der zuvor entscheidenden Instanz – des Landgerichts Aurich, lebte der 17-Jährige Angeklagte im elterlichen Bauernhaus. Eine Einliegerwohnung war an die Großeltern des am 7. Dezember 2014 geborenen geschädigten Mädchens vermietet. Die Geschädigte und der Angeklagte waren mithin Nachbarn und das Mädchen hielt sich häufig auch allein mit dem Angeklagten in dessen Zimmer auf. Beim wiederholten „Vater-Mutter-Kind“-Spiel kam es zu diversen sexuellen Handlungen auf Verlangen des Angeklagten, bei denen das Mädchen sein Genital unter anderem in den Mund nahm und daran leckte. Zudem führten diese sexuellen Vornahmen durch das Mädchen in einem Fall zur Ejakulation des Angeklagten.

Die Jugendkammer des Landgerichts verurteilte den Angeklagten daraufhin am 8. August 2022 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen. Der Angeklagte wurde für eine Dauer von sechs Monaten der Betreuung und Aufsicht durch die Jugendgerichtshilfe unterstellt. Zudem wurde er angewiesen, insgesamt vier Beratungsgespräche mit einem Psychotherapeuten und der Jugendberufsagentur zu führen, sowie gemeinnützige Arbeit zu leisten.

Verhängung einer Jugendstrafe doch angemessen?

Zwar habe das Landgericht auch die Verhängung einer Jugendstrafe geprüft, sei aber zu dem Entschluss gekommen, dass es für diese an einer schädlichen Neigung des Angeklagten, sowie an der Schwere der Schuld, fehle. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein, so dass der Fall vor dem BGH landete. Doch dieser wies die Revision ab und führte dazu Folgendes aus.

Bezüglich der schädlichen Neigung des Angeklagten habe die Jugendkammer des Landgerichts diese durch eine umfassende Beurteilung seiner Persönlichkeit korrekt verneint. Unter Anderem deswegen, weil der geständige Angeklagte altersgerecht sozialisiert ist, einen großen Freundeskreis, sowie ein Hobby und konkrete Pläne für eine Ausbildung hat. Als diese Faktoren sprechen nicht für eine schädliche Neigung. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Übergriffe nicht aus der Persönlichkeit des Angeklagten resultierten, sondern eher „aus der Gelegenheit“ heraus.

Folgt man der Revision, so sei zudem die Schwere der Schuld zu Unrecht verneint worden. Doch auch hier stellt der BGH fest, dass die Entscheidung der Jugendkammer rechtens ist. Dabei ist zum einen zu beachten, dass die Schuld eines minderjährigen Täters jugendspezifisch zu bewerten ist. Zum anderen hängt die Bewertung von Schuldzumessungsfaktoren stets vom Einzelfall ab und ist der umfassenden Abwägung des Tatgerichts überlassen. Zwar wurde die Tat vom Landgericht als besonders schwerer Fall des sexuellen Kindesmissbrauch erkannt – vor allem deswegen, weil die begangenen Delikte geeignet sind, das Leben der Geschädigten nachhaltig und nachteilig zu beeinflussen. Jedoch habe die oben aufgeführte Abwägung gezeigt, dass die persönlichen Schuldzumessungsfaktoren eher zugunsten des Angeklagten auszulegen sind. Zudem habe der damals 17-Jährige viele weitere Gelegenheiten zur Tatbegehung gehabt, die er aber nicht nutze, was auch wieder für eine situationsbedingte Begehung spreche.

Quellen: strafrechtsblogger.de, juris.bundesgerichtshof.de

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