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Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen nach §174 StGB: Zum Begriff des Schutzbefohlenen und der Erheblichkeitsschwelle von sexuellen Handlungen

Wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach §174 StGB macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen an einem Schutzbefohlenen vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt. Möglich ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Doch wer gilt als „Schutzbefohlener“ im Sinne des §174 StGB?
Die Voraussetzungen für eine Anwendung des §174 StGB hängen vom Alter der betroffenen Person ab. Je nach Variante muss der Schutzbefohlene unter 18 oder unter 16 Jahren alt sein. Des Weiteren muss zwischen ihm und dem Täter ein Obhutsverhältnis bestehen. Ein solches liegt bei Bestehen eines Erziehungsauftrags vor, aber auch wenn zwischen den beiden Betroffenen ein Ausbildungsverhältnis besteht.
Der konkrete Fall
Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich in seinem Beschluss vom 24. August 2023 (2 StR 271/23) mit dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen befasst. Dem hier thematisierten Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde. Der Angeklagte fuhr mit der Betroffenen und gleichzeitig Nebenklägerin auf einen Rastplatz, um an dieser sexuelle Handlungen vorzunehmen. Er löste ihren Sicherheitsgurt, klappte den Beifahrersitz nach hinten und berührte ihren Oberschenkel. Dann öffnete er ihre Hose und versuchte in diese zu greifen. Das Mädchen wies ihn jedoch deutlich ab, sodass er daraufhin und wegen der Gefahr entdeckt wurde, von ihr abließ und sie nach Hause fuhr. Dabei war der Mann für die im Tatzeitpunkt 17-Jährige als Stiefvater eine Art Vaterersatz. Er lebte seit vielen Jahren mit dem Mädchen, dessen Mutter und weiteren Geschwistern in einem Haushalt.
Das Verfahren
Das Landgericht Bonn verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach §174 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Auf die Revision hob der BGH dieses Urteil wiederum in seinem Beschluss auf. Für den BGH fehle es an der Erheblichkeit der sexuellen Handlungen. Diese wird jedoch für eben auch für solche sexuellen Handlungen des §174 StGB vorausgesetzt.
Nach den Ausführungen des BGH ist die Erheblichkeitsschwelle nach §184h Nr. 1 StGB erst dann überschritten, wenn die sexualbezogenen Handlungen bei einer Betrachtung des Einzelfalls „nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsgut“ darstellen. Der BGH weist in diesem Zuge jedoch auch darauf hin, dass bei Tatbeständen, die Kinder und Jugendliche schützen, können weniger strenge Maßstäbe an die Betrachtung anzulegen sein sollten.
Dennoch sei die Erheblichkeitsschwelle durch das bloße Berühren des Oberschenkels, dem Öffnen der Hose und dem Versuch in diese mit der Hand einzudringen, noch nicht überschritten.
Abgesehen von der fehlenden Erheblichkeit, war der Angeklagte als Stiefvater und Vaterersatz des Mädchens jedoch so in deren Erziehung eingebunden, dass unstreitig das Merkmal des Schutzbefohlenen erfüllt ist. Er setzte auch unmittelbar zur Tat an, indem er ihre Hose öffnete. Die Handlungen des Angeklagten erfüllen mithin dennoch den Tatbestand eines versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach §174 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB dar.
Der Schuldspruch des Landgerichts Bonn wurde dahingehend geändert.
Quellen: strafrechtsblogger.de, openjur.de, rademacher-rechtsanwalt.de