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Strafbarkeit des sogennanten „Catcallings“

Fast jede Frau hat es schon einmal erlebt - “Catcalling”. Die verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum. Oft in Form von bloßen Pfiffen, aber auch durch ungefragte Bewertungen des Aussehens, anzüglichen Bemerkungen und sexistischen Sprüchen. Woher der Begriff ursprünglich kommt, ist nicht ganz klar. Wohl weil man auch beim Rufen einer Katze oft verbal durch Pfiffe etc. versucht, diese anzulocken. Der Begriff ließe sich auch vom Paarungsverhalten der Katzen ableiten. Diese suchen schreiend oder rufend nach ihrem Partner.

Noch wichtiger als die Herkunft des Begriffs ist es jedoch, diesen von bloßen Komplimenten oder einfachem Flirten abzugrenzen. Ein Opfer von Catcalling fühlt sich nicht geschmeichelt, sondern durch die ungefragten Äußerungen sexuell belästigt. Unter der Bewegung “Catcallsof…” kreiden Betroffene ihre “Catcaller” im wahrsten Sinne des Wortes an. Die Sprüche werden mit Kreide auf die Straße gemalt. So werden auch Passanten auf das Thema aufmerksam gemacht. “Steig ein und ich verpasse dir deine Hochzeitsnacht, die wirst du nie vergessen!”, “Ey du Geile, wieviel nimmst du die Stunde?” und “Mit Blick auf meinen Ausschnitt sagte er: Boah geil, ist ja wie im Porno” sind nur einige Beispiele.

Wie verbreitet ist “Catcalling”?

Von 3908 befragten Frauen gaben 90% der Frauen an, bereits Catcalling erlebt zu haben. 40% der Frauen gaben sogar an, bestimmte Orte zu meiden, um der Gefahr des Catcalling aus dem Weg zu gehen. 84% der Befragten wünschen sich eine Sanktionierung des Catcallings. Bereits im August 2020 sammelten sich durch eine Online-Petition 69.444 Unterschriften mit dem gleichen Wunsch, sodass sich nun der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Thema befasst.
“Catcalling” verdient ganz unstreitig ein besonderes Verwerflichkeitsurteil. Ganz so einfach ist die juristische Ahndung dessen jedoch nicht.

Wird “Catcalling” bald strafbar?

Unter anderem Frankreich, Belgien, Portugal und die Niederlande machen den Anfang. In Frankreich beispielsweise droht demjenigen, der verbal sexuell belästigt, ein Bußgeld in Höhe von 1.500 Euro.
In Deutschland hingegen droht noch keine Strafe. Dazu fehlt es vor allem an einem geeigneten Straftatbestand. Möglich wäre die Subsumtion unter dem Tatbestand der sexuellen Belästigung nach § 184i StGB. Dort stellt sich jedoch das erste Problem. Der § 184i StGB setzt eine körperliche Berührung voraus: “Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (...)”. Darunter fallen zwar auch einige Fälle des Catcallings - doch nicht die bloßen verbalen Äußerungen.

Möglich wäre auch die Erfüllung des Tatbestands der Beleidigung des benachbarten § 185 StGB. Hier verlangt der Tatbestand jedoch eine herabwürdige Äußerung, die man wohl aus objektiver Sicht nicht in jedem Fall des Catcallings problemlos bejahen kann. So erscheint es fraglich, ob diese als so sozialschädlich oder übergriffig betrachtet werden können, dass sie verboten und bestraft werden müssten - zumindest im Rahmen des § 185 StGB.
Dies könne man nur zweifellos in Fällen annehmen, in denen die Betroffenen durch die verbale Äußerung herabgewürdigt werden. Dagegen wird man jedoch in Äußerungen, in denen der Sprecher seine Lust auf das Opfer oder seine Zuneigung - wenn auch durch dieses nicht gewollt, zum Ausdruck bringt, keine Beleidigung gemäß § 185 StGB annehmen können. Auch wenn der “Catcaller” sich bei solchen Äußerungen wie oben im angeführten Beispiel mit der “versprochenen Hochzeitsnacht” nicht zwingend über das Opfer stellt und dieses erniedrigt, ist dennoch zweifellos ein Übergriff anzunehmen.

Es wird also in beiden Fällen übergriffig gehandelt - entscheidend ist wohl aber die Degradierung des Opfers, die wie oben angeführt, wohl aus subjektiver Sicht der Betroffenen vorliegen mag, jedoch aus objektiv formalen Gründen nicht zweifellos in jedem Fall festzustellen ist.

Diese Lösungsansätze sind mithin nicht geeignet, Catcalling in seiner gesamten Masse zu umfassen und wirken daher eher unbefriedigend.

Denkbar wäre auch die Ahndung als Ordnungswidrigkeit. Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) setzt dafür in seinem Policy Paper zum Catcalling vom 14. April 2021 folgende Formulierung: “Ordnungswidrig handelt, wer eine andere Person verbal, durch Inhalte, Selbstentblößung oder sexuelle Handlungen auf eine Weise, die geeignet ist, sie herabzuwürdigen oder erheblich zu bedrängen, sexuell belästigt.”

Solange es aber noch keine standfeste Lösung gibt, liegt es an der betroffenen Person selbst, ob sie den Catcaller zur Rede stellen möchte oder diesen einfach zu ignorieren, um ihm gerade nicht die gewünschte Aufmerksamkeit zu schenken. Fühlt man sich durch die Situation unwohl oder sogar bedroht, ist es in jedem Fall ratsam, sich zur Sicherheit gegebenenfalls auch an andere Passanten zu wenden.

Quellen: ZStW 2023, 165-185, www.stern.de: Studie zeigt: “Catcalling ist in Deutschland weitverbreitet”, www.anwalt.org

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