Anwalt für Sexualstrafrecht informiert
Strafbarkeit eines sexuellen Übergriffs auf ein schlafendes Opfer

Oft passiert es und oft wird darüber geschwiegen. Vor allem in festen Partnerschaften kommt es häufiger als man denkt zum Sex während der (Sexual-) Partner schläft. Der oder die Betroffene fühlt sich danach oft ausgenutzt, war doch der Geschlechtsverkehr gar nicht wirklich einvernehmlich - oder?
„Nein heißt Nein” als Grundsatz des neuen Strafrechts
„Nein heißt Nein", so lautet der Grundsatz des neuen Sexualstrafrechts, das Ende 2016 in Kraft trat. Das bedeutet, dass das Opfer durch ein einfaches „Nein” seinen entgegenstehenden Willen deutlich machen kann. Widersetzt sich der Täter dennoch, so macht er sich strafbar.
Problematisch erscheint es also, dass der Betroffene - egal ob männlich oder weiblich, während seines Schlafzustands gegenüber seinem Sexualpartner kein ausdrückliches „Nein” von sich geben kann. Andersherum kann jedoch auch kein Einverständnis in die sexuelle Handlung erteilt werden. Es stellt sich also die Frage, ob der „Sex im Schlaf” strafbar ist.
Sind sexuelle Handlungen mit Schlafenden strafbar?
Tatsächlich ist diese Frage hoch umstritten. So mancher redet lediglich von einem reinen sozialadäquaten Verhalten, andere von einer strafbaren Handlung.
Dabei erscheint die zweite Auffassung jedoch vorzugswürdiger. Denn es steht fest, dass wenn auch kein ausdrückliches „Nein” vorliegt, es zumindest am Einverständnis fehlt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass hier womöglich nach dem Einzelfall zu differenzieren ist. Unter besonderen Umständen, die sich aus dem Sachverhalt ergeben können, darf der Sexualpartner von einem vermeintlichen Einverständnis ausgehen.
Ausschlaggebend ist mithin vor allem der Vorsatz. Auch dabei kann es vorkommen, dass der Sexualpartner, der die Handlung vornimmt, selbst nicht mit seinem vollen Wissen und Wollen gehandelt hat. So zum Beispiel wenn dieser an einer schlafwandlerischen Störung leidet („Sexsomnia”).
Liegt keiner dieser Ausschlüsse vor, so könnte der Täter sich strafbar nach § 177 StGB gemacht haben. Mögliche Straftaten wären der sexuelle Übergriff (Abs. 1), die sexuelle Ausnutzung besonderer Umstände (Abs. 2), die sexuelle Nötigung (Abs. 5) oder die Vergewaltigung (Abs. 6).
Das wohl ausschlaggebende für die zweite Meinung sind die im Folgenden aufgeführten Aussagen des BGH.
Der konkrete Fall: Sexueller Übergriff auf ein schlafendes Kind
Im konkreten Fall ging es um den sexuellen Übergriff auf ein schlafendes Kind. Die Mutter filmte und fasste den unbekleideten Genitalbereich ihrer Tochter an, während diese schlief. Dabei war der Angeklagten bewusst, dass diese sexuellen Handlungen nicht dem Willen ihrer Tochter entsprechen. Sie nutzte gezielt aus, dass ihre Tochter im Schlaf nicht in der Lage war, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.
Der BGH führt dazu Folgendes an: Der Täter i.S.d. § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nutzt die Unfähigkeit des Opfers zur Willensbildung oder -äußerung schon dann aus, wenn er diesen Zustand (Schlaf) bewusst als Gelegenheit ausnutzt, dem möglichen Entgegenstehen des fehlenden Willens der betroffenen Person zu vermeiden.
Danach hat die Angeklagte den Straftatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht. Die Angeklagte wurde unter anderem wegen mehrfachen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Übergriff, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Quellen: BGH, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 5 StR 580/19 –, juris, polizei.nrw, die-anwalts-kanzlei.de