Anwalt für Sexualstrafrecht informiert
Was ist ein sog. Adhäsionsantrag?
Ein Adhäsionsantrag ist ein Antrag des Geschädigten in einem Strafverfahren, mit dem er seine zivilrechtlichen Ansprüche (z. B. auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld) direkt im Strafprozess geltend machen kann. Das Verfahren wird als Adhäsionsverfahren bezeichnet und hat im Bereich Sexualstrafrecht in letzter Zeit an Bedeutung zugenommen.
Gerade in Sexualstrafverfahren, die von unserer Kanzlei schwerpunktmäßig bearbeitet werden, kommt es heute regelmäßig vor, dass derartige Anträge gestellt werden, was zu Chancen des Beschuldigten bei der Verteidigung führen kann.
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Kanzei für Sexualstrafrecht
Adhäsionsantrag als Chance?
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Das Stellen eines sog. Adhäsionsantrages ist eine rein formaler Vorgang und hat auf den Ablauf des Strafverfahrens inhaltlich keinen Einfluss. Der Antrag kann sowohl für den Beschuldigten, als auch für den vermeintlich Geschädigten vorteilhaft sein da hierdurch vermieden wird, dass im Nachgang zu dem Strafprozess noch einmal ein Zivilverfahren mit gleichem Inhalt geführt wird.
Zweck und Vorteile des Adhäsionsverfahrens
Ein sog. Adhäsionsantrag bietet für die beteiligten Parteien in einem Strafverfahren in der Regel mehr Vorteile als Nachteile.
Als nachteilig wird teilweise von Beschuldigten empfunden, dass durch den Adhäsionsantrag der Belastung einer bevorstehenden Strafe nun auch zusätzlich die Belastung einer finanziellen Entschädigung der vermeintlich kuscheligen Person im Raum steht. Grundsätzlich ist jetzt aber zu sagen, dass ein Antrag auf eine finanzielle Entschädigung in Geld bei Feststellung der Begehung einer Straftat zum eigenen Nachteil ohnehin gestellt werden könnte und diese bei Feststellung der Schuld auch durch ein Zivilrecht entsprochen wird.
In der Praxis kommt es zudem teilweise vor, dass im Rahmen eines sogenannten Adhäsionsantrages ein veränderter Sachverhalt geschildert werden. Eine solche Darstellung kann insbesondere in Sexualstrafverfahren dazu führen, dass die belastenden Angaben von den polizeilichen Angaben abweichen und insofern ein Einfallstor für kritische Rückfragen sein. Wir haben bei uns bereits Verfahren begleitet, in denen letztlich die abweichenden Angaben im Rahmen des Adhäsionsverfahrens den Grundstein für den späteren Freispruch unseres Mandanten gedient haben, da der Sachverhalt gegenüber der eigenen Anwälten offenbar ganz anders geschildert wurde, als gegenüber der Polizei bzw. gegenüber dem Gericht.
Die Vorteile eines Adhäsionsantrages sind - in Kürze zusammengefasst - wie folgt:
• Der Geschädigte muss nicht zusätzlich ein separates Zivilverfahren anstrengen.
• Es spart Zeit und Kosten, da über den zivilrechtlichen Anspruch im Strafprozess mitentschieden wird.
• Falls der Angeklagte im Strafverfahren verurteilt wird, stehen die Erfolgsaussichten für den Adhäsionsantrag oft gut.
Adhäsionsantrag: Nachteile und Risiken
Der Vollständigkeit halber sollen nachstehend kurz die Nachteile und Risiken eines solchen Antrages aufgeführt werden. Hierzu ist jedoch zu sagen, dass die Darstellung von Risiken und Nachteilen eines Adhäsionsverfahrens in erster Linie aus Sicht des Antragstellers bestehen, also des vermeintlich Geschädigten. Nachteile aus Sicht des Beschuldigten gibt es hierdurch nicht. Die Nachteile aus Sicht der Antragsteller sind wie folgt:
Gerichtliche Entscheidung ist nicht garantiert
• Das Strafgericht kann den Antrag zurückweisen, wenn es ihn für nicht entscheidungsreif hält (§ 406 StPO).
• Falls der Antrag nicht im Strafverfahren entschieden wird, muss der Geschädigte seinen Anspruch trotzdem noch im Zivilprozess geltend machen.
Beweisanforderungen und strenge Maßstäbe
• Das Strafgericht muss vom Anspruch überzeugt sein, bevor es entscheidet.
• Anders als im Zivilprozess gilt im Strafprozess das “In-dubio-pro-reo”-Prinzip (Im Zweifel für den Angeklagten).
• Falls es Zweifel gibt, kann das Gericht den Antrag eher ablehnen oder auf den Zivilrechtsweg verweisen.
Prozessuale Nachteile für den Geschädigten
• Im Strafverfahren hat der Geschädigte weniger Einfluss als im Zivilprozess (z. B. kann er keine eigenen Beweisanträge stellen oder auf die Beweisführung des Gerichts Einfluss nehmen).
• Falls das Gericht den Adhäsionsantrag ablehnt, könnte dies die Erfolgsaussichten eines späteren Zivilprozesses negativ beeinflussen.
Zeitliche Verzögerung des Strafverfahrens
• Ein umfangreicher Adhäsionsantrag kann das Strafverfahren verlängern, insbesondere wenn der Anspruch komplex ist und viele Beweise geprüft werden müssen.
• Manche Gerichte neigen daher dazu, den Antrag nicht zu entscheiden und stattdessen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Kostenrisiko für den Geschädigten
• Grundsätzlich ist das Adhäsionsverfahren für den Antragsteller kostenfrei, wenn er gewinnt.
• Falls der Antrag aber abgelehnt wird oder das Gericht auf den Zivilrechtsweg verweist, können Anwalts- oder Gutachterkosten für den Geschädigten entstehen.
• Ein gesonderter Zivilprozess verursacht dann zusätzlich Gerichts- und Anwaltskosten, die in einem reinen Zivilverfahren vermeidbar gewesen wären.
Bindung an das Strafverfahren
• Der Ausgang des Strafverfahrens beeinflusst den Adhäsionsantrag direkt.
• Falls der Angeklagte freigesprochen wird, wird der Adhäsionsantrag automatisch abgelehnt, selbst wenn ein zivilrechtlicher Anspruch bestehen könnte.
• In einem separaten Zivilprozess könnte der Geschädigte unter Umständen trotzdem erfolgreich sein, da dort eine andere Beweislast gilt.
Adhäsionsantrag: Voraussetzungen
Wie oben bereits ausgeführt, muss der Antrag bestimmte formale Voraussetzungen erfüllen, um vom Gericht zugelassen und beschieden zu werden.
Hierzu zählt neben dem Wunsch, dass der Antrag einer bestimmten Form eingereicht und angebracht werden muss, insbesondere, dass in dem Antrag der Grund des Anspruchs genau bezeichnet sein muss, eine Bezugnahme auf Klageschrift oder allgemeine Angaben wie der Beschuldigte hat eine Straftat (zum Beispiel: „Der Beschuldigte hat einen Vergewaltigung begangen“), genügen den Anforderungen nicht und führen zu einer Unwirksamkeit des Antrages.
Das Adhäsionsverfahren ist insbesondere bei Körperverletzungsdelikten, Sexualdelikten, Sachbeschädigungen oder Betrug sinnvoll, da hier oft ein konkreter Schaden für das Opfer entstanden ist.
Adhäsionsantrag: Formalien
Ein Adhäsionsantrag muss bestimmte Formalien erfüllen, um wirksam im Strafverfahren behandelt zu werden.
Die rechtlichen Grundlagen finden sich in den §§ 403–406c der Strafprozessordnung (StPO). Hierzu ist zu sagen, dass die Einhaltung der Formalien regelmäßig und insbesondere von unerfahrenen Anwälten nicht hinreichend beachtet werden, was dann zur Ablehnung des Adhäsionsantrages durch das zuständige Strafgericht führt. Es liegt insofern in der Verantwortung des Beschuldigten, den Adhäsionsantrag juristisch auf Einhaltung der Formalien zu überprüfen und im Rahmen einer Stellungnahme hierzu, die im Rahmen einer allgemeinen Anhörung hierzu gewährt werden muss, auf die Fehlerhaftigkeit des Antrages hinzuweisen.
Antragsberechtigung
• Der Antragsteller muss ein Geschädigter der Straftat sein.
• Der Anspruch muss aus der Straftat selbst resultieren (z. B. Schmerzensgeld, Schadensersatz).
Form des Adhäsionsantrages
• Der Antrag muss schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gegeben werden.
• Es gibt keine bestimmte Form, aber folgende Punkte sollten enthalten sein:
• Angaben zur Person des Antragstellers und des Angeklagten
• Genaue Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs (z. B. Höhe des Schadensersatzes, Begründung für Schmerzensgeld)
• Darstellung der Tatsachen, die den Anspruch begründen (z. B. Unfallhergang, Verletzungen, materielle Schäden)
• Beweise, die den Anspruch untermauern (z. B. ärztliche Gutachten, Rechnungen, Zeugenaussagen)
• Rechtsgrundlage (z. B. §§ 823, 253 BGB für Schadensersatz/Schmerzensgeld)
Zeitpunkt der Antragstellung
• Der Antrag kann bis zum Abschluss der Hauptverhandlung gestellt werden.
• In der Praxis ist es jedoch ratsam, ihn frühzeitig einzureichen, damit das Gericht ihn sorgfältig prüfen kann.
Gerichtliche Entscheidung
• Das Gericht kann den Antrag vollständig oder teilweise zusprechen oder ihn auf den Zivilrechtsweg verweisen.
• Falls der Angeklagte freigesprochen wird, wird der Antrag in der Regel zurückgewiesen.
Kosten
• Das Adhäsionsverfahren ist für den Geschädigten kostenfrei, wenn er obsiegt.
• Falls der Antrag abgelehnt oder auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird, kann der Antragsteller für die Kosten haften.
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