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Zum Begriff des ,,Verbreitens'' von Kinderpornografie

Zum Sachverhalt

Der Angeklagte W., bei welchem eine schwer ausgeprägte kombinierte Persönlichkeitsstörung vom Borderline- und Narzissmustyp festgestellt wurde, verging sich im Zeitraum zwischen Oktober 2016 und März 2021 in insgesamt neun Fällen als Jugendlicher, Heranwachsender und Erwachsener sexuall an verschiedenen Kindern aus seinem sozialen Umfeld. Von den Tathandlungen fertigte er jeweils Fotos oder Videos mit seinem Mobiltelefon an.

Bei der rechtlichen Beurteilung hat die Jugendkammer einen zu engen Verbreitungsbegriff zu Grunde gelegt. Sie hat angenommen, eine Verbreitungsabsicht im Sinne des Qualifikationstatbestandes sei nur gegeben, wenn der Täter bei dem sexuellen Missbrauch mit der Absicht handele, hiervon eine kinderpornografische Schrift oder einen kinderpornografischen Inhalt anzufertigen und diesen später im Sinne des §184b Abs.1 S.1 Nr.1 Hs.1 Alt.1 StGB zu verbreiten, also einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis zugänglich zu machen. Hier habe der Angeklagte die hergestellten Videos und Fotos lediglich einer weiteren Person zur Verfügung gestellt. Deshalb habe ein „Verbreiten“ im Sinne des §184b Abs.1 S.1 Nr.1 Hs.1 Alt.1 StGB nicht festgestellt werden können.

Die Auffassung des BGH

Laut BGH sei der Begriff des „Verbreitens“ in §176a Abs.3 StGB af - ebenso wie der in der Nachfolgevorschrift des §176c Abs.2 StGB - nicht im Sinne des engen Verbreitungsbegriffs des §184b Abs.1 S.1 Nr.1 Hs.1 Alt.1 StGB zu verstehen. Denn die Norm verweist auf §184b Abs.1 und Abs.2 StGB insgesamt und erfasst damit alle dort genannten Varianten der Hergabe oder Zugänglichmachung, darunter auch die Drittbesitzverschaffung. Mit der Verwendung des Begriffs des Verbreitens würde auf die gesetzliche Überschrift des §184b StGB, in der das Wort „Verbreitung“ als Sammelbegriff für die vom Tatbestand erfassten unterschiedlichen Varianten der Weitergabe bzw. Zugänglichmachung verwendet wird.

Wenngleich der Begriff des „Verbreitens“ des §176c II StGB nicht im engen Sinne des Verbreitungsbegriffs des §184b I 1 Nr.1 Hs.1 Alt.1 StGB zu verstehen ist, so hat er doch laut BGH einen eigenen Bedeutungsgehalt dahingehend, dass die bloße Absicht der Herstellung einer kinderpornografischen Schrift bzw. eines kinderpornografischen Inhalts nicht genügt, sondern zu dieser die weitere Intention einer anschließenden Handlung im Sinne einer der in §184b I 1 Nr.1 oder 2 aufgeführten Verbreitungsvarianten hinzutreten muss. Hierfür spricht bereits der Wortlaut. Nach diesem muss die doppelte Absicht vorliegen: Erstens muss der Täter die Missbrauchstat in Form einer kinderpornografischen Schrift oder eines Inhalts festhalten und zweitens muss er die Absicht haben, diese Schrift oder diesen Inhalt nach der Herstellung zu verbreiten. Daraus. dass der §176a Abs.3 StGB aF (und §176c Abs.2 StGB) nicht auf §184b Abs.3 StGB verweist, folgt ebenfalls, dass sich ein Täter des sexuellen Missbrauchs, der allein in der Absicht der Erlangung von Eigenbesitz an der kinderpornografischen Schrift oder des kinderpornografischen Inhalts handelt, nicht nach der Qualifikation strafbar macht. Dieses Normverständnis entspricht dem Zweck eines Qualifikationstatbestandes, den erhöhten Unrechtsgehalt einer Weitergabe von Missbrauchsdarstellungen zu betonen.

Zurück zum Fall

Hieran gemessen ergibt sich aus den Urteilsgründen eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornografischer Absicht. Denn der Angeklagte hat eingeräumt, die Aufnahmen in der Absicht angefertigt zu haben, sie anschließend zu verbreiten. Das Landgericht Wuppertal konnte feststellen, dass sich der Angeklagte im Internet in pädophilen Kreisen. In der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte dahingehend geäußert, er habe die Aufnahmen von den Missbrauchshandlungen gemacht, um mit anderen Pädophilen in Kontakt zu treten.  

Quellen: BGH, Urteil v. 16.05.2024 - 3 StR 112/23, NJW-Spezial 2024, 505

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