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Rechtsanwaltskanzlei Nikolai Odebralski

Was ist ein Befangenheitsantrag?

Ein Antrag auf Besorgnis der Befangenheit kann zunächst in jedem Rechtsstreit gestellt werden, vorliegend geht es um den Befangenheitsantrag im Strafprozess.

Mit dem Antrag auf Besorgnis der Befangenheit sollen die Interessen des Beschuldigten an einer objektiven und sachlichen Prozessführung geschützt werden, der Sinn ist es insofern, die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit eines mitwirkenden Richters sicherzustellen. Grundlage des Befangenheitsantrag ist § 24 der Strafprozessordnung.

Die Vorschrift besagt, dass wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, wenn Gründe gegeben sind die dazu geeignet sind, das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit bzw. Unbefangenheit des Richters objektiv zu rechtfertigen. Maßstab für den Befangenheitsantrag ist die Sicht eines objektiven und vernünftigen Betrachters. Der Antrag auf Befangenheit kann sowohl von Seiten des Beschuldigten, als auch von der Staatsanwaltschaft gestellt werden. Der Verteidiger des Beschuldigten oder Zeugen haben kein derartiges Antragsrecht, der Befangenheitsantrag des Beschuldigten wird in der Regel über seinen Anwalt und in dessen Namen gestellt.

 

Voraussetzungen für einen Befangenheitsantrag

Ein Befangenheitsantrag kann gestellt werden, wenn objektive Umstände Gegeben sind, die bei einer vernünftigen und unvoreingenommenen Person Zweifel an der Neutralität des Richters hervorrufen können. Maßgebliche Vorschrift ist hier § 24 StPO.

Erforderlich ist hierbei nach der Rechtsprechung nicht, dass der Richter tatsächlich voreingenommen ist, denn eine Unvoreingenommenheit ist eine rein innere Tatsache. Würde man dem Beschuldigten bzw. Antragsteller eine entsprechende Beweispflicht auferlegen, die für diese letztlich faktisch immer leer. Erforderlich ist für den erfolgreichen Befangenheitsantrag vielmehr der Anschein der Befangenheit, Beispiel hierfür können sein: persönliche Beziehungen eines Richters oder schaffen zu einer der am Prozess beteiligten Personen. Einschlägiges Prozess Handeln oder vorangegangene Äußerungen eines Richters, die eine vorzeitige Festlegung befürchten lassen, sowie eventuell eigene Interessen eines Richters am Ausgang des Verfahrens.

 

Befangenheitsantrag: Zeitpunkt der Antragstellung

Zu beachten ist bei der Stellung eines Befangenheitsantrages der Zeitpunkt der Antragstellung.

Der Befangenheitsantrag wird in der Regel in einem strafrechtlichen Hauptverfahren gestellt, äußerst selten ist die Stellung eines Befangenheitsantrages im Ermittlungsverfahren (beispielsweise gegen einen Ermittlungsrichter oder Haftrichter) oder Rechtsmittelverfahren gegen ein Mitglied eines Revisionsgerichts.

Der Antrag muss nach der Prozessordnung unverzüglich gestellt werden, nachdem dem Antragsteller die Gründe, die die Besorgnis der Befangenheit seinerseits begründen sollen, zur Kenntnis gelangt sind. Dies bedeutet faktisch, dass in dem Strafprozess Wachsamkeit und Kenntnis von der Möglichkeit der Stellung eines Befangenheitsantrages notwendig sind. Ist die Gelegenheit einen solchen Antrag zu stellen erst einmal verstrichen, gibt es keine Möglichkeit, den Antrag nachzuholen.

 

Befangenheitsantrag des Verteidigers

Der Verteidiger eines Beschuldigten hat kein eigenes Recht, die Besorgnis der Befangenheit eines Richters zu beantragen.

Tut er dies, muss der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden. Einen solchen Antrag im eigenen Namen zu stellen kann aber Prozess taktisch dennoch Sinn machen, zu Prozess taktisch im Umgang mit einem Antrag auf Befangenheit, siehe unten.

 

Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft / Nebenklage

Die Staatsanwaltschaft ist ebenso wie der Beschuldigte oder einen Nebenkläger berechtigt, die Ablehnung des Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit zu beantragen. Hiervon wird in der Praxis aber äußerst selten Gebrauch gemacht.

Der Grund hierfür sind vornehmlich psychologische Aspekte.

Denn während der Beschuldigte häufig erstmalig vor Gericht steht bzw. der Verteidiger zudem abzulehnen Richter in keinerlei Verhältnis steht, nimmt ein Staatsanwalt bei dem Gericht seiner Zuständigkeit regelmäßig Termine war. Beispiele für Befangenheitsanträge von Staatsanwaltschaften sind klassisch, wenn ein Gericht durch die Aufhebung von Haftbefehlen eine Tendenz dahingehend erkennen lässt, den Beschuldigten nicht zu verurteilen, oder im Rahmen eines Hauptverfahrens Hinweise dahingehend ergehen, dass das Gericht eine Verurteilung für nicht wahrscheinlich hält.

Auch ein Nebenkläger hat das Recht, die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit zu beantragen.

 

Folgen und Verfahren beim Befangenheitsantrag

Ein Befangenheitsantrag hat zur Folge, dass das Verfahren zunächst unterbrochen werden muss um über den Antrag zu entscheiden.

Die Prozessordnung gibt dem Gericht jedoch auch die Möglichkeit an die Hand, die Entscheidung einen Antrag zurückzustellen und das Verfahren fortzusetzen, hiervon wird meistens Gebrauch gemacht, wenn das Gericht befürchtet, der Antrag auf Befangenheit würde als prozesstaktisches Mittel und nicht in der Sache selbst vorgebracht.

Wird der Antrag auf Befangenheit gestellt, hat der abgelehnte Richter eine dienstliche Stellungnahme zu den vorgetragenen Gründen abzugeben, diese Stellungnahme wird gemeinsam mit dem Antrag dem dann zuständigen Richter vorgelegt, der den Sachverhalt prüft, allen Beteiligten noch einmal die Möglichkeit gibt, Stellung zu nehmen und dann eine Entscheidung trifft. Wird dem Befangenheitsantrag stattgegeben, ist das Strafverfahren beendet und wird sodann unter Ausschluss des abgelehnten Richters zu einem späteren Zeitpunkt von vorne begonnen. Wird der Antrag auf Befangenheit abgelehnt, wird der Strafprozess unter Beteiligung aller bisherigen Gerichtsperson fortgesetzt.

 

Beispiele für erfolgreiche Befangenheitsanträge

Im Laufe unserer Tätigkeit haben wir vielfach erfolgreiche Befangenheitsanträge gestellt, die Wiedergabe sämtlicher Sachverhalte würde hier sicherlich den Rahmen sprengen. Ein Beispiel für einen erfolgreichen Antrag auf Befangenheit ist ein solcher Antrag, den wir Ende 2024 vor dem Amtsgericht Lindau am Bodensee gestellt haben.

Der Sachverhalt war hier wie folgt: Mein Mandant wurde beschuldigt wegen Besitz kinderpornographischer Inhalte, in dem Verfahren war er weitestgehend geständig.

Die Richterin wollte dann einen Bericht eines zuständigen Polizeibeamten verlesen, die Verteidigung widersprach der Verlesung und Verwertung. Zu sagen ist hierzu, dass ein solcher Bericht nach der Prozessordnung nur verlesen werden darf, wenn alle Beteiligten zustimmen, dies war hier nicht der Fall. Es entstand der Eindruck, als wolle die Richterin das Verfahren einfach ohne Einhaltung der Prozessvorschriften zum Abschluss bringen. Die Verteidigung beantragte daraufhin, die Richterin vom Amtsgericht Lindau am Bodensee wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, diesem Antrag wurde durch den zuständigen Richter stattgegeben mit der Begründung, dass eine bewusst fehlerhafte Rechtsanwendung einer Richterin zum Nachteil eines Beschuldigten bei diesem die Besorgnis begründe, dass die Richterin in seinem Verfahren nicht mehr unbefangen sei.

Der Prozessbericht hierzu ist in ausführlicher Form in unserem Newsbereich zu finden.

 

Der Befangenheitsantrag als prozesstaktisches Mittel

Ein Antrag auf Besorgnis der Befangenheit ist für Fälle vorgesehen, in denen ein Beschuldigter oder sonst berechtigter Zweifel daran hat, dass ein Verfahren objektiv geführt wird. Teilweise wird der Befangenheitsantrag aber auch als prozesstaktisches Mittel eingesetzt, um den Verfahrensfortgang zu stören oder Vorbereitungen für ein späteres Revisionsverfahren zu treffen.

Sinnvoll kann es sein, einen Antrag auf Befangenheit im Namen des Beschuldigten sowie im eigenen Namen zu stellen. Hintergrund ist hier, dass der Antrag des Beschuldigten durch einen anderen Richter bearbeitet wird, ein Antrag des Verteidigers ist von vornherein unzulässig und kann insofern durch den abgelehnten Richter selbst abgelehnt werden. Die Fehlerhaftigkeit eines Ablehnungsverfahrens kann wiederum in einem späteren Rechtsmittelverfahren bzw. Revisionsverfahren als Grundlage für einen Antrag auf Aufhebung des Urteils herangezogen werden.

 

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