Rechtsanwaltskanzlei Nikolai Odebralski
Revision: Urteil wegen Kindesmissbrauch aufgehoben (Kassel)
Das Landgericht Kassel hatte den Beschuldigten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 24 Fällen und zudem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in acht Fällen schuldig gesprochen und zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dem Mann war vorgeworfen worden, seine Stieftochter während der Zeit des gemeinsamen Zusammenlebens mit der Mutter zwischen 1994 und 1998 sexuell missbraucht zu haben.
Der Mann bestritt die Vorwürfe nachdrücklich und versuchte verzweifelt, für selbst Erklärungen dafür zu finden wie es zu derartigen Vorwürfen gekommen sein könnte. Erste Hinweise darauf lagen in einer offenbar schweren psychischen Situation der vermeintlich Geschädigten, welche sich zwischenzeitig in verschiedenen stationären Kliniken aufgehalten hat. Hinweise darauf, dass die Vorwürfe nach Gesprächen mit tatsächlichen Missbrauchsopfern erstmalig aufgekommen sein könnten, gab es in den Akten vereinzelt.
In dem Irrglauben, "wenn ich nichts gemacht habe, kann mir auch nichts passieren" ließ sich der Beschuldigte in dem Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Landgericht Kassel sodann lediglich von einem Pflichtanwalt vertreten - einem Anwalt den er aus einer mietrechtlichen Angelegenheit kannte und nett fand. Mit Strafsachen oder der Verteidigung im Sexualstrafverfahren kannte sich der Kollege nach eigenen Angaben nicht aus, aber "wenn ich nicht gemacht habe kann mir ja auch nichts passieren". Ein folgenschwerer Fehler.
Nach dem Schuldspruch durch das Landgericht Kassel wandte sich der Verurteilte sodann an uns, als spezialisierte Fachkanzlei für Sexualstrafverfahren übernahmen wir sodann die Verteidigung in der Revision vor dem Bundesgerichtshof.
Im Rahmen einer umfassenden Rüge der mangelhaften Sachaufklärung wurde sodann ausgeführt, warum es in der konkreten Situation rechtsfehlerhaft war, auf die Einholung eines sogenannten aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zu verzichten.
Derartige Gutachten müssen in bestimmten Konstellationen eingeholt werden, wenn dem Gericht die eigene Kompetenz zur vollumfänglichen Sachaufklärung fehlt. Ein solcher Fall war nach Auffassung der Verteidigung und letztlich auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hier gegeben. Das Landgericht Kassel hätte in dem Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern insofern nicht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen entscheiden dürfen.
Im Rahmen der neuen Verhandlung wird nunmehr ein solches Gutachten einzuholen sein, unser Mandant bekommt in der neuen Verhandlung nunmehr die Chance, seine Unschuld zu beweisen. Und eine Sache hat er aus der ganzen Angelegenheit gelernt: solche Vorwürfe sind äußerst ernst zu nehmen, auf einen staatlich bestellten Pflichtanwalt wird er sich in der neuen Verhandlung nicht verlassen.
Wir haben ihm bereits zugesagt, seine Vertretung auch dort zu übernehmen.